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Zur Hetzjagd verabredet
Rechtsextreme hatten sich zu den Ausschreitungen in Chemnitz 2018 offenbar in Chats gezielt abgesprochen
Sachsens Justiz kann auch fix, wenn sie will: Nur zwei Tage nachdem ein 19-Jähriger in Chemnitz den Hitlergruß zeigte, wurde der junge Mann am Dienstag vom zuständigen Amtsgericht zu sieben Monaten auf Bewährung sowie zwei Wochen Jugendarrest verurteilt. Er war der Polizei am Sonntagabend am Rande eines Aufmarsches der rechtsextremen Bewegung »Pro Chemnitz« aufgefallen, die kurz vor dem Jahrestag der tödlichen Messerattacke auf Daniel H. mit hunderten Anhängern durch die Stadt marschiert waren. Weil die Beamten den Vorbestraften beim Hitlergruß beobachteten, war leugnen zwecklos.
Deutlich schwerer tun sich die sächsischen Behörden dagegen mit den Ermittlungen rund um die Ausschreitungen vor einem Jahr. Dass die rechtsextremen Krawalle und Übergriffe auf Migranten, Linke und Journalisten in Chemnitz keinesfalls spontaner Art waren, sollen interne Chatprotokolle belegen, die dem sächsischen Landeskriminalamt (LKA) vorliegen, wie aus einem Bericht der »Süddeutschen Zeitung« und der ARD hervorgeht. Das LKA komme in einem Bericht zu dem Schluss, dass die Planung für die damaligen Aufmärsche »nicht auf die Durchführung einer friedlichen Demonstration gerichtet« waren und es schließlich zur »Umsetzung von Gewaltstraftaten gegen Ausländer« kam.
Letzteres war auch schon vor der aktuellen Berichterstattung klar: Laut Generalstaatsanwaltschaft Dresden war es allein an den zwei Tagen nach der tödlichen Messerattacke am 26. August im Zuge der rechten Aufmärsche zu 38 Gewaltstraftaten gekommen. Die Opferberatung des RAA Chemnitz zählte 23 Fälle von Körperverletzung gegen Migranten.
Wie organisiert die Rechtsextremen damals vorgingen, geht laut Medienberichten aus den Chatprotokollen hervor: So soll einer der späteren Demonstrationsteilnehmer noch am Tag des Messerangriffs geschrieben haben, dass es »übelst aufs Maul hier« gebe und er »Bock« hätte, »Kanacken zu boxen«. Ein anderer Mann behauptete später, er habe »drei Kanacken, drei Rotzer, weggeklatscht«.
Auch wurde in den Chat offenbar diskutiert, ob es eine Jagd auf Migranten gibt. So soll ein Beteiligter am Morgen des 28. August geprahlt haben, dass es ihm im Gegensatz zu dem »neu Zugewanderten«, den er »erwischt« habe, gut gehe. Später soll die gleiche Person geschrieben haben, er sei in der Nähe des Stadtzentrums unterwegs, weil er dort »Kanacken mit Messern« vermute und nun hoffe, er »erwische wie gestern« jemanden.
Besonders bedenklich: Die Chats sollen größtenteils aus dem Umfeld der Gruppe »Revolution Chemnitz« stammen, die verdächtigt wird, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben. Acht mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer müssen sich Ende September vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten.
Unter ihnen ist der Rechtsextreme und mutmaßliche Rädelsführer der Gruppe, Christian K., der auch in den nun bekannt gewordenen Chats eine wichtige Rolle spielt. K. soll versucht haben, andere Neonazis für die Aufmärsche zu mobilisieren. Als am 26. August in einer Chatgruppe diskutiert wird, ob es »irgendwo Kanacken Schlachten geben wird«, soll K. später geschrieben haben: »Heute Nacht, definitiv, eskaliert es.« Auf die Chatprotokolle war zunächst nicht das LKA aufmerksam geworden, sondern die Bundesanwaltschaft, die seit fast einem Jahr gegen »Revolution Chemnitz« ermittelt. Im Fokus der Aufmerksamkeit steht auch hier Christian K., der bereits seit 2005 wiederholt mit dem Verfassungsschutz in Kontakt gestanden haben soll. Mal um angeblich aus der rechtsextremen Szene auszusteigen, mal um sich als V-Mann anzubieten. Die Zusammenarbeit kam laut Medienberichten nie zustande, hätte aber vielleicht Erhellendes bringen können. K. galt in der Chemnitzer Naziszene als gut vernetzt, die wiederum Verbindungen zum NSU pflegte.
In der Politik sorgt der in Teilen bekannt gewordene LKA-Bericht für Aufregung. Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen im sächsischen Landtag, forderte von Innenminister Roland Wöller (CDU), den Bericht »umgehend« zu veröffentlichen. Es müsse geklärt werden, seit wann die Polizei wisse, dass es »in Chemnitz gezielt vorbereitete und durchgeführte Gewalttaten gegen Migranten gab.« Die LINKE verlangt vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) eine Entschuldigung, weil dieser in einer Regierungserklärung im Jahr 2018 behauptet hatte, in Chemnitz sei es zu keinen Hetzjagden gegen Migranten gekommen.
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