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NRWE räumte
Landesregierung in NRW wollte offenbar unbedingt Willen von RWE durchsetzen / Gutachten wurden erst nach einer Klage herausgegeben
Es ist beinahe ein Jahr her, dass die Polizei mit Tausenden Einsatzkräften in den Hambacher Forst eingefallen ist und die Baumhausdörfer eins nach dem anderen zerstört hat. Damals wurden Brandschutzgründe genannt, die zur Räumung des Waldes führten. Der nordrhein-westfälische Innenminister bestritt sogar einen Zusammenhang zu den von RWE geplanten Rodungen. Jetzt veröffentlichte Dokumente zeichnen allerdings ein ganz anderes Bild.
Es ist der 2. Juli 2018, die RWE Power AG stellt bei der Gemeinde Merzenich und der Stadt Kerpen den Antrag auf Räumung des Hambacher Forstes. Das Schreiben geht auch an die Polizei Aachen, die für den Kohleprotest in Nordrhein-Westfalen zuständig ist, an zwei Landkreise, die für den Bergbau zuständige Bezirksregierung in Arnsberg und drei Ministerien. RWE verlangt in dem Antrag eine Räumung des seit Jahren besetzten Waldes vor dem 1. Oktober 2018.
Da die Rodungssaison 2017 durch ein Gerichtsurteil ausgefallen ist, hat der Konzern sich für den Herbst 2018 viel vorgenommen. 100 Hektar sollen zusätzlich gerodet werden. Die Besetzungen sind dabei im Weg. RWE verschickt seinen Antrag an »den potenziellen Kreis der zuständigen Behörden« für eine Räumung. Das Innenministerium ist dabei, weil der Energiekonzern davon ausgeht, dass eine Räumung nicht ohne Polizei möglich sei und die Polizei sowieso in »eigener Zuständigkeit zur Räumung berechtigt und verpflichtet« sei.
Ob das so ist, ist wie viele andere Fragen im Komplex Hambacher Forst umstritten. Das nordrhein-westfälische Innenministerium gibt damals jedenfalls bei der Münsteraner Kanzlei Baumeister ein Rechtsgutachten in Auftrag, dass die Möglichkeiten einer polizeilichen Räumung des Waldes bewerten soll.
Das Gutachten verläuft aus Sicht des Innenministeriums, in dem sich besonders Polizeichefin Daniela Lesmeister für eine Räumung des Waldes eingesetzt haben soll, enttäuschend. Die Verhütung von Straftaten bietet sich nicht an. Die Besetzung ist nur schwerlich als »kriminelle, kriminologische, gefährdete oder gefährliche Milieus« darzustellen.
Auch die polizeiliche Vollzugshilfe oder Aufenthaltsverbote scheiden als Grund für eine Räumung aus. Die Münsteraner Anwälte geben aber einen Hinweis, wie doch geräumt werden könne. Das Bauordnungsrecht sei ein »scharfes Schwert« um »die Besetzungsinfrastruktur im Hambacher Forst (sonder)ordnungsbehördlich zu beenden.«
Direkt wird ein zweites Gutachten eingeholt, das ausführt, wieso eine baurechtliche Räumung des Hambacher Forsts möglich sei. Die Baumhäuser seien Bauwerke und ihnen fehlten die notwendigen Fluchtwege. Eine sofortige Räumung sei unumgänglich.
Zwei Wochen nachdem das Gutachten bei den Düsseldorfer Ministerien eintrifft, beginnt die Räumung des Hambacher Forstes. Tausende Polizisten werden dabei eingesetzt, breite Schneisen in den Wald geschlagen. Gerichte bestätigen das Vorgehen der Polizei, verkünden aber anschließend Anfang Oktober quasi zeitgleich mit den letzten Räumungen einen Rodungsstopp. Die im Hambacher Forst lebende Bechsteinfledermaus muss geschützt werden. Danach wird der Wald wieder besetzt und der Kohlekompromiss spricht sich für seinen Erhalt aus.
Ende gut, alles gut? Mitnichten. RWE gräbt derzeit dem Hambacher Forst das Wasser ab. Immer mehr Bäume vertrocknen. Politische Reaktionen darauf? Fehlanzeige. Auch wie das Gutachten nun an die Öffentlichkeit gelangte, lässt die nordrhein-westfälische Landesregierung nicht in einem guten Licht dastehen. Nachdem die Regierung auf eine Anfrage der Grünen bestätigt hatte, dass es Gutachten zur Räumung des Hambacher Forsts gibt, hatte der »Ende Gelände«-Aktivist Daniel Hofinger eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt.
Es ist ein Gesetz, das eigentlich dafür da ist, damit Bürger von Behörden erstellte Dokumente erhalten. Das Recht auf Auskunft ist demnach eins, das jeder hat! Doch Hofinger erhielt nichtmal eine Eingangsbestätigung. Mails, in denen er nachfragte, blieben unbeantwortet. Erst eine Untätigkeitsklage führte dazu, dass die Gutachten freigegeben wurden.
Noch immer sind viele Fragen offen. Etwa die, welche Fragestellung die Landesregierung den Gutachtern vorgegeben hat oder wann die Gutachten in Auftrag gegeben wurden. Aber das Thema Räumung des Hamacher Forst steht in Nordrhein-Westfalen wieder auf der Tagesordnung. Gegenüber dem WDR kündigten die Grünen eine »Große Anfrage« zum Räumungskomplex an und nannten es »hochproblematisch«, dass sich die Landesregierung »klar an die Seite von RWE gestellt« habe. SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sagte, »die Landesregierung hat die Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt, nur um Macht zu demonstrieren«, er forderte die Landesregierung auf sich gegenüber der Öffentlichkeit zu verantworten.
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