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Freude über radikalen Mietendeckel
Das Gesetzesvorhaben ist nur ein Baustein in der Wohnungsfrage, sagen Aktivisten.
Es ist schön, dass der Mietendeckel so radikal ist«, freut sich Ulrike Hamann von der Mieterinitiative »Kotti & Co« über das vergangene Woche bekanntgewordene Papier der Berliner Stadtentwicklungsverwaltung. »Der Mietendeckel kann gar nicht radikal genug sein«, erklärt sie. Aber natürlich sei klar, dass es noch Veränderungen geben werde. »Wir haben schon 2012 Mietsenkungen gefordert, als wir unsere Protesthütte am Kottbusser Tor aufbauten«, erklärt Hamann. Es sei wirklich gut, dass das nun tatsächlich gedacht werde und Schritte in die Richtung unternommen würden, findet die Aktivistin.
»Es profitieren ja alle Mieter von dem Mietendeckel, auch wenn wir Sozialmieter explizit ausgenommen sind«, sagt Hamann. Denn eigentlich wollte Rot-Rot-Grün laut Koalitionsvertrag bereits im vergangenen Jahr eine Neuregelung für die Mieten im alten sozialen Wohnungsbau finden. »Das Theater in den Medien mit dem drohenden Weltuntergang durch den Mietendeckel war ja schon erwartbar«, sagt die Aktivistin. Überraschend findet sie allerdings, dass die SPD nun wieder teilweise auf Distanz geht. »Die Reform der Sozialmieten wurde von den gleichen Leuten in der SPD torpediert, die nun wieder den Mietendeckel relativieren wollen. «Die meisten versammelten sich im Arbeitskreis Soziale Stadt der Landespartei unter Vorsitz von Volker Härtig.» Dieser seltsame Arbeitskreis, der gegen alles hetzt, was Mieterinnen und Mietern nützen könnte, müsste dringend reformiert werden«, findet sie. Und natürlich müsse Rot-Rot-Grün endlich die versprochene Reform der Sozialmieten umsetzen.
»Die Sozialdemokraten haben doch den Mietendeckel maßgeblich vorangetrieben, auch um dem Enteignungsvolksbegehren den Wind aus den Segeln zu nehmen«, erinnert Hamann. Tatsächlich war es das Trio der SPD-Bundestagsabgeordneten Eva Högl, des Berliner Juso-Vizevorsitzenden Julian Zado sowie Kilian Wegner, die kurz nach Veröffentlichung eines Artikels im »nd« zum Aufsatz des Berliner Juristen Peter Weber, der auf die Möglichkeit einer landesrechtlichen Mietenbegrenzung hinwies, im »Tagesspiegel« die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzes in der Hauptstadt propagierten. Schon vor Beschluss des Eckpunktepapiers zum Mietendeckel im Senat im Juni übte sich die Senatskanzlei unter deren Chef Christian Gaebler (SPD) in Störmanövern. Und inzwischen scheint das Vorhaben in der Öffentlichkeit ein Projekt von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) zu sein. Obwohl sie anfangs deutliche Skepsis zeigte.
»Ich sehe den Mietendeckel als eine praktikable Übergangslösung«, sagt Alfons Alois Sterz, Mieterbeirat der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag für Charlottenburg Nord und die Paul-Hertz-Siedlung. »Diese Zeit muss genutzt werden, um in den kommenden fünf Jahren eine breite gesellschaftliche Diskussion zu führen, wie wir in der Wohnungsfrage weitermachen wollen«, so Sterz. Für ihn könnte das durchaus eine Vergesellschaftung des Bestands großer Wohnungsunternehmen sein, wie sie vom Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen« gefordert wird.
»Wir müssen die Herzen unserer Nachbarinnen und Nachbarn gewinnen«, erklärt der Mieterbeirat. »Die ganzen Heckenschützen, die medial Zweifel säen am Mietendeckel, verunsichern viele Mieter«, sagt Sterz. »Die Leute wissen nicht, wie sie mit den Mieterhöhungsverlangen umgehen sollen, die sie bekommen haben, weil sie keinen Rechtsbeistand haben. Dann lesen sie, dass eine Verfassungsklage angestrengt werden soll«, berichtet er aus seiner Nachbarschaft. Das sorge leider für Skepsis. »Es geht mir nicht um die Kleinigkeiten, sondern dass wir aus einem Guss ein ordentliches Gesetz bekommen, das Bestand hat. Die grobe Linie muss passen«, sagt Sterz über seine Erwartungen an den Mietendeckel.
Viele der Gegner versammelten sich am Mittwochabend auf Einladung der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zum »Runden Tisch Miete und Wohnen«. »Der Senat spielt mit dem Feuer, wenn ich an das Klima zwischen Mietern und Vermietern denke«, sagt der CDU-Landesvorsitzende Kai Wegner. »Wir werden ein Rentenproblem bekommen, wenn Menschen ihre Immobilien billig verkaufen müssen, weil sie ihre Kredite nicht bedienen können«, erklärt Kerstin Huth vom Immobilienverband Deutschland. »Ich erlebe, dass eine gut organisierte, schlaue, schnelle, agile Minderheit in der Innenstadt die Lufthoheit über die Stimmung in der Stadt hat, und wir haben eine Bevölkerung, die Angst hat«, sagt Ingo Malter, Geschäftsführer der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land über die Mieterbewegung und spricht von einer »gefühlten Überforderung mit den Mieten«, die aus der Luft rausgenommen werden müsse. »Berlin hat kein Mieten-, sondern ein Angebotsproblem«, behauptet dann Maren Kern, Vorständin des Verbandes Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen.
Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Umweltverbands BUND Berlin widerspricht solchen Aussagen. »Ja, der Mietendeckel ist in gewisser Weise Notwehr, weil auf Bundesebene kaum etwas unternommen wird, um einen sozialen Ausgleich zu schaffen«, sagt er. »Aber solange es keine Belegungsrechte für Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen in den gentrifizierten Quartieren gibt, wird die Entmischung weitergehen«, gibt Heuser zu bedenken. Denn in der Regel hätten Mieter mit höherem Einkommen eben doch die besseren Karten. »Ich finde es spannend, wenn die Oberkämpfer gegen den Mietendeckel gleich schreien, wenn es um die faire Anlastung von Klimakosten bei Fleisch oder Benzin geht«, erklärt er. Analog dazu müssten die Gegner noch viel niedrigere Mieten fordern, damit Arme nicht benachteiligt werden.
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