Schuhe, Windeln und Fernseher

US-Präsident Trump erhebt erstmals Sonderzölle auf Konsumgüter aus China

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Zum Abschluss ihres G7-Gipfels in Biarritz demonstrierten die Staatschefs der sieben führenden Industrienationen vergangenen Mittwoch noch einmal Einigkeit: »Die G7 setzen sich für einen offenen und fairen Welthandel und für die Stabilität der Weltwirtschaft ein«, hieß es in der Abschlusserklärung. Kurz vor dem Gipfel hatten sich die USA und China gegenseitig mit neuen Strafzöllen überzogen. Und US-Präsident Donald Trump ordnete über Twitter »hiermit« an, dass sich die US-Wirtschaft aus China zurückzuziehen habe.

In mehreren Schritten hatte Trump bislang die Hälfte der Einfuhren aus China mit Strafzöllen belegt. Unlängst hatte die US-Regierung ihren weiteren Fahrplan vorgelegt: Danach wird seit Sonntag ein 15-prozentiger Zoll auf ein zusätzliches Importvolumen von 110 Milliarden US-Dollar erhoben. Hierbei handelt es sich erstmals in größerem Umfang um Konsumgüter wie Fernseher, Bücher, Windeln und Turnschuhe. Weitere Waren im Wert von 160 Milliarden wie Smartphones, Laptops und Kleidung werden ab Mitte Dezember mit höheren Zöllen belegt. Zu den Zöllen kommen US-Bemühungen, chinesische Telekommunikationsausrüster wie Huawei aus westlichen Märkten auszuschließen und entsprechenden Druck auf Verbündete wie Deutschland und Frankreich auszuüben.

Der Handelsstreit mit China ist nicht der einzige, den Trump begonnen hat. Seit seinem Amtsantritt versucht er, vermeintlich unfaire Handelspraktiken in seinem Sinne zu ändern. Die größten Erfolge erzielte er bisher im Streit mit Mexiko und Kanada. Die beiden Länder haben sich mit Trump auf ein Nachfolgeabkommen der Freihandelszone NAFTA geeinigt, die USMCA. Mexiko hat das Abkommen bereits ratifiziert. Kanada müsste bis Mitte September zustimmen, oder das Abkommen müsste nach der Wahl im Oktober von der nächsten Regierung neu eingebracht werden. Auch aus dem US-Kongress fehlt noch grünes Licht: Die demokratische Mehrheit sorgt sich um Angestelltenrechte. Trump hofft, USMCA dem Kongress noch im September vorlegen zu können.

Auch gibt es immer mehr Stimmen aus der US-Wirtschaft, die ein Ende des Handelsstreits mit China fordern. Die jüngst von den USA angekündigten neuen Strafzölle kämen »zum schlechtesten Zeitpunkt«, nämlich inmitten der Lieferungen für das Jahresendgeschäft, heißt es in einem am Mittwoch an Präsident Donald Trump gerichteten Protestbrief, den mehrere Hundert US-Unternehmen und Wirtschaftsverbände unterzeichnet hatten. »Wir haben dem Weißen Haus von Anfang an gesagt, dass letztlich die US-Bürger diese Zölle zahlen werden, nämlich in Form von höheren Preisen.« So lastet der Handelsstreit auch zunehmend auf der Stimmung der Verbraucher. In einer Umfrage waren jüngst erstmals seit Trumps Wahl mehr Befragte der Ansicht, dass sich die Wirtschaftslage verschlechtert anstatt sich zu verbessern. Dabei liegt Trump nicht nur mit Peking, sondern auch mit der EU im Clinch.

Doch ist die Eskalation des Handelsstreits zwischen den Großmächten nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass es in der letzten Zeit auch zu neuen Handelsabkommen kam. So überraschten die USA und Japan in Biarritz, als sie eine grundsätzliche Einigung auf ein Abkommen verkündeten. »Details« müssen allerdings noch ausgehandelt werden.

Dass der Teufel im Detail meist steckt, zeigen indes die Verhandlungen der EU mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Südamerika geht es hauptsächlich darum, seine Agrarexporte auszuweiten. Ende Juni wurde am Rande der G20-Konferenz eine Einigung verkündet - doch ein vollständiger Text des Abkommens liegt noch nicht vor. Angesichts der Waldbrände im Amazonasgebiet fordern Umweltverbände, das Assoziationsabkommen zu stoppen, und Frankreichs Präsident Macron drohte beim G7-Gipfel mit einer Blockade.

Dabei gibt es nicht erst seit Trump mehr Protektionismus. Der Wendepunkt im globalen Handel kam bereits mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/08. Angesichts des scharfen Wirtschaftsabschwungs begannen viele Staaten einen Weg zu mehr Protektionismus einzuschlagen, um die heimischen Firmen zu schützen. Laut der Organisation Global Trade haben die G20-Länder bereits vor Trump mehr als 50 protektionistische Jumbo-Maßnahmen ergriffen, die jeweils Handelsströme von mindestens neun Milliarden Euro betreffen.

»Die Finanzkrise hat auch grundsätzlich für ein Umdenken aller Marktteilnehmer gesorgt«, beobachten die Analysten der Commerzbank. Aus Sorge um die Stabilität ihrer Lieferketten holen Konzerne ihre Produktion wieder ins Inland zurück oder produzieren im näheren Umfeld, etwa innerhalb der EU. Auch UN-Daten zufolge ist der Anteil der ausländischen Wertschöpfung an den Exporten in den letzten zehn Jahren deutlich gefallen. Dieser Trend zu mehr Regionalisierung statt Globalisierung wird durch neue Technologien unterstützt. Die Welthandelsorganisation WTO schätzt, dass neue Fertigungsverfahren wie der 3-D-Druck den globalen Handel um 20 Prozent verringern werden. In Richtung Regionalisierung weist auch die zunehmende Zahl regionaler Handelsabkommen, von denen laut WTO weltweit mittlerweile über 300 existieren.

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