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SPD sucht die Superchefs
Kandidatencasting macht in Saarbrücken Station / Erstes Duo zieht seine Bewerbung zurück
Saarbrücken. Für einen kleinen Paukenschlag sorgt nach einer guten halben Stunde Simone Lange. Die Flensburger Oberbürgermeisterin, die sich an der Seite des Bautzener OB Alexander Ahrens als Anti-Establishment-Kandidatin für den SPD-Vorsitz empfiehlt, erklärt überraschend den Rückzug des Duos - zugunsten des Teams von »Norbert und Saskia«. Punktgewinn für den Ex-NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken gleich beim ersten Kandidatencasting.
Es ist ein lebhaftes Schaulaufen mit großen Worten, aber auch immer wieder mit Augenzwinkern, das sich die dann noch 15 Kandidaten vor rund 700 SPD-Mitgliedern in Saarbrücken liefern. Zuerst herrscht viel Einigkeit bei der Vorstellung der sieben Duos und des Einzelbewerbers, ebenso wie bei den anschließenden Fragerunden, für die die Kandidaten auf weiße Hocker platziert werden. Praktisch alle nehmen für sich in Anspruch, ihrer Krisenpartei wieder »Glaubwürdigkeit« zu geben, wie dies etwa Walter-Borjans sagt. Soziale Gerechtigkeit stellen die Kandidaten ins Zentrum, »den Zusammenhalt in der Gesellschaft«, wie es Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius formuliert. Neues Selbstvertrauen, auch »Freude« (Karl-Heinz Brunner) wollen die Kandidaten der SPD zurückgeben. Auch den Klimaschutz stellen viele nach vorn.
Unterschiede wollen zuerst nicht recht deutlich werden. Das fällt wohl auch dem Abgeordneten Karl Lauterbach auf. »Ich will mal einen Dissens hier aufmachen, den ich wirklich fühle«, sagt er nach einer guten Stunde. Die SPD habe ja tolle Konzepte. Aber: »Wir können das nicht immer wieder fordern, und dann machen wir eine Koalition, in der nichts von dem umgesetzt wird.« Es ist eine Art Alleinstellungsmerkmal von ihm und seiner Teampartnerin Nina Scheer, dass sie am klarsten den GroKo-Austritt fordern.
Innerhalb von mehr als zweieinhalb Stunden werden dann doch Gegensätze deutlich. Am deutlichsten mahnt Pistorius, nicht vorschnell das GroKo-Ende herbeizureden. Solle man SPD-Projekte in der Koalition wie den Mindestlohn nicht besser hochhalten? »Wir müssen uns gut überlegen, ob wir so aus der kalten Hose aussteigen.« Nur wenn man mit der Union partout nicht weiterkomme, sei der Ausstieg gerechtfertigt.
Immer wieder arbeiten sich die Bewerber an Finanzminister Olaf Scholz ab, der seinen Konkurrenten meist mit einem leichten Lächeln aufmerksam zuhört - auch als der linke Kandidat Dierk Hirschel eine Brandrede für drastische Steuererhöhungen und mehr Staatskredite hält. »Das Geld liegt auf der Straße, der Olaf müsste sich einfach nur bücken und die 100-Euro-Scheine aufnehmen.« Da bückt sich Scholz mit einer Geste, als würde er Scheine nur so aufsammeln. Dass er für eine Vermögenssteuer, aber auch für Steuersenkungen für Normalverdiener ist, hat er da schon erklärt.
Keinesfalls will Scholz als GroKo-Repräsentant und Vizekanzler auftreten. Sein Problem: Zuletzt gemeinsam mit der früheren SPD-Chefin Andrea Nahles prägte er über Jahre die SPD, die sich jetzt so dringend erneuern möchte. Sein Beruf sei nicht Finanzminister, betont er. »Mein Beruf ist Rechtsanwalt für Arbeitsrecht.« Ein Mann aus dem Publikum bringt Schärfe in den Abend, als er Scholz fragt, wie jemand glaubwürdig seine Kandidatur erklären könne, »der uns in dieses Tal der Tränen geführt hat«. Scholz entgegnet im Stakkato, dass er schon Branchenmindestlöhne, Kurzarbeitergeld, sozialen Wohnungsbau auf den Weg gebracht habe. »Ich bin der Meinung, dass ich ein echter truely Sozialdemokrat bin.«
22 Mal geht das nun noch so oder ähnlich - ein echter Stresstest für die Bewerber. Fast 58 Stunden werden die Kandidaten am Ende zusammen auf Bühnen von Bernburg an der Saale bis Troisdorf verbracht haben. Dann haben die rund 426.000 Mitglieder das Wort - falls nicht auf Anhieb jemand mehr als 50 Prozent bekommt, gleich zweimal.
Jenseits der inhaltlichen Standpunkte könnten bei der Entscheidung noch andere Gesichtspunkte ins Gewicht fallen. Fällt Scholz durch, könnte es eng werden für ihn in der Regierung - und für die GroKo insgesamt. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass sich die eher linken Kandidaten, die in der Mehrzahl sind, gegenseitig das Wasser abgraben. Das könnte auch für Pistorius einzahlen - der sich als Mann der klaren Kante zeigt. Manche meinen, dass der »Robin Hood« der Steuerpolitik, Walter-Borjans, der in NRW bereits mit dem Ankauf von Steuer-CDs für Aufsehen sorgte, und seine Teampartnerin Esken für weitere Überraschungen gut ist. Juso-Chef Kevin Kühnert unterstützt das Duo ja schon. Doch erscheint das Rennen nach gut zweieinhalb Stunden erstmal ziemlich offen. dpa/nd
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