- Berlin
- Invalidenstraße
Kritik an »panzerähnlichen Autos«
Diskussion über SUV in Innenstädten nach Unfall mit vier Toten in Berlin-Mitte
Mehrere Hundert Menschen sind am Samstagabend zur Mahnwache in Berlin-Mitte gekommen, um den vier Fußgängern zu gedenken, die am Freitag von einem Geländewagen überfahren worden waren. Vier Minuten schwiegen sie am Unfallort - je eine Minute für jedes Todesopfer. Den ganzen Tag über hatten Anwohner Blumen und Kuscheltiere auf dem Gehweg abgelegt und Kerzen aufgestellt. Neben der Trauer wurde auch Kritik laut: »SUV töten Kinder, Mütter, Väter, das Klima«, steht auf einem Schild. Auf den Gehweg sind mit Kreide ähnliche Sätze geschrieben.
Ein Porsche SUV war am Freitagabend gegen 19 Uhr an der Kreuzung Invalidenstraße Ecke Ackerstraße von der Straße abgekommen. Nach Anwohnerangaben überholte er mit hoher Geschwindigkeit auf der Gegenfahrspur und geriet auf den Gehweg. Der Wagen knickte einen Ampelmast und mehrere Poller um, durchbrach einen Bauzaun und kam erst auf einem Baugrundstück zum Stehen.
Der genaue Unfallhergang wird noch ermittelt, die Polizei konnte auf nd-Nachfrage auch am Sonntag noch nichts zur Ursache sagen. Erste Hinweise auf einen medizinischen Notfall des Fahrers werden laut Polizeiangaben geprüft. Dass es sich um eine vorsätzliche Tat gehandelt haben könnte, glaubt die Polizei jedoch nicht: Es deute alles auf einen Verkehrsunfall hin, sagte ein Sprecher.
Der Fahrer des SUV hatte bei dem Unfall einen drei Jahre alten Jungen, eine 64-Jährige Frau sowie zwei Männer im Alter von 28 und 29 Jahren tödlich verletzt. Eine 38-Jährige und ihr neunjähriger Junge erlitten laut Polizei einen Schock. Die Mutter des Kleinkinds, die ein weiteres Kind dabei hatte, überlebte nach Feuerwehrangaben.
Der 42 Jahre alte Fahrer des Wagens erlitt Kopfverletzungen und liegt im Krankenhaus. Um die Unfallursache zu klären, wurde ihm Blut entnommen. Im Auto saßen auch ein sechs Jahre altes Mädchen und eine 67 Jahre alte Frau. Auch sie erlitten einen Schock und kamen zur Beobachtung ins Krankenhaus. Zu möglichen Verwandtschaftsverhältnissen machte die Polizei keine Angaben.
Der Grünen-Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel, kritisierte derart schwere Pkw-Modelle wie den Unfallwagen scharf: »Solche panzerähnlichen Autos gehören nicht in die Stadt. Es sind Klimakiller, auch ohne Unfall bedrohlich, jeder Fahrfehler wird zur Lebensgefahr für Unschuldige.« Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach von einem schrecklichen Unfall. »Meine Gedanken sind bei den Opfern, ihren Angehörigen und Freunden.« Ähnlich äußerte sich von Dassel.
Lesen sie auch: Verkehrswende sofort. Die Kampfansage gegen Autos in Berlin ist richtig
»In der Regel sind es Autos, die töten im Verkehr«, sagte Heiner von Marschall, der Vorsitzende des Verkehrsclubs Deutschland Nordost. Er hatte mit den Vereinen FUSS und Changing Cities zu der Mahnwache aufgerufen. Die Initiatoren forderten Tempo 30 in der ganzen Stadt, eine autofreie Innenstadt und eine Ombudsperson für Verkehrsunfallopfer. Auf Transparenten verlangten Teilnehmer »Motorisierte Gewalt stoppen« und kritisierten »motorisierte Mordwerkzeuge«.
Bis kurz vor zwei Uhr war die Invalidenstraße zwischen Brunnen- und Ackerstraße in der Nacht zum Samstag gesperrt. Notfallseelsorger betreuten Zeuginnen und Zeugen des Unfalls und Einsatzkräfte. Die Verkehrspolizei sicherte Spuren des Unfalls. Sie sollen gegebenenfalls in einem 3D-Modell zusammengeführt werden, um die Fahrt des Autos zu rekonstruieren. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.