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  • Kriegsgegner vor Rheinmetall

Blockade gegen tödliche Rüstungsexporte

Mehr als 400 Kriegsgegner demonstrierten vor der Zentrale des Rheinmetall-Konzerns

  • Peter Nowak, Unterlüß
  • Lesedauer: 4 Min.

»We arrived at Unterlüß« steht auf einer Reihe von Plakaten, die in den vergangenen Tagen am Dorfplatz der Gemeinde Unterlüß nahe Celle zu sehen waren. Darauf sind Zeichnungen der Ungarin Valerie Jakober Furth abgebildet. Wie Tausende andere Jüdinnen und Juden musste Jakober Furth während des Zweiten Weltkriegs hier in Unterlüß für Rheinmetall schuften, bis sie im April 1945 von der britischen Armee befreit wurde.

Die Rüstungsschmiede, die seit 1899 hier im südlichen Teil der Lüneburger Heide ihren Sitz hat, bekommt bundesweit Gegenwind. Für eine Woche, vom 1. bis 9. September, hatten hier Kriegsgegner*innen aus der gesamten Republik ein Diskussions- und Aktionscamp im Zentrum des Ortes errichtet.

Es ging am Samstag mit einer Demonstration zu Ende. »Ihr seid unsere Hoffnung«, lobte die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano die Antimilitarist*innen für ihre Arbeit zur Geschichte der Zwangsarbeit bei Rheinmetall. Doch nicht allen am Ort haben die Aktivitäten gepasst. So wurde in der Nacht zum Samstag das Auto eines Campteilnehmers beschädigt. Ebenso einige der Binden, die Teilnehmer*innen am Donnerstag an Bäumen befestigt hatten.

Sie sollten eine »Straße der Erinnerung« markieren. Nämlich den Weg, den die Zwangsarbeiterinnen aus dem KZ-Außenlager Tannenberg zu Fuß zurücklegen mussten, um ins Rheinmetall-Werk zu kommen. An der Strecke wurden zudem Tafeln mit den Namen von Zwangsarbeiterinnen angebracht. Auch ein Gedenkstein wurde errichtet. Bisher hatte nichts an das KZ und an die Zwangsarbeit erinnert.

Geschwiegen wird vor Ort auch über die Mitverantwortung von Teilen der Bevölkerung für das Leid der Frauen. Mitte April 1945, als die SS vor den anrückenden Briten geflohen war, transportierten Angehörige des sogenannten Volkssturms die Frauen noch ins KZ Bergen-Belsen, wo viele von ihnen noch in den letzten Kriegstagen starben.

Hinter den mit Büschen zugewachsenen Mauerresten des Lagers Tannenberg beginnt das mit einem Draht abgesperrte Erprobungszentrum Unterlüß (EZU). Dort werden die neuesten Waffen von Rheinmetall getestet. Während der Protestwoche waren immer wieder Schüsse von dort zu hören. Die aktuellen Rüstungsgeschäfte des Konzerns, seine durch Belieferung von Kriegsparteien generierten Profite, waren neben der nie erfolgten Entschädigung der Zwangsarbeiterinnen Hauptthema des Camps.

»Rheinmetall entwaffnen«, lautet die Parole auf einem Transparent, das gut sichtbar am Eingang des Zeltlagers hing. Mitglieder einer antimilitaristischen Gruppe aus Sardinien berichteten in Unterlüß über den Widerstand gegen die Aktivitäten der italienischen Rheinmetall-Tochter RWM Italia auf der Insel. Das dortige Werk spielt für Rheinmetall eine entscheidende Rolle bei der Umgehung der strengeren Waffenausfuhrgesetze in Deutschland, insbesondere des Rüstungsexportstopps nach Saudi-Arabien. Schon vor mehreren Jahren hatte die Friedensbewegung in Sardinien die Rheinmetall-Anlage blockiert.

Lesen sie auch: Aktivisten stürmen Aktionärsversammlung von Rheinmetall

Auch in Unterlüß blockierten Antimilitarist*innen am Donnerstag und Freitag zeitweilig die Zufahrtswege und die Gleise zum Rheinmetall-Werk. Im Wald um das mit Kameras überwachte Munitionsdepot herum errichteten Aktivist*innen immer wieder Hindernisse. Einige ketteten sich an Strommasten. Am Freitag ließ die Polizei deswegen für rund 30 Minuten den Strom abschalten. Von dem Blackout war nicht nur das Rheinmetall-Werk, sondern auch das Camp und ein Teil der Bewohner*innen von Unterlüß betroffen.

Während der Abschlussdemonstration am Samstag, zu der nach Polizeiangaben rund 400, nach Veranstalterangaben 600 Menschen gekommen waren, schimpften einige am Straßenrand stehende Bürger*innen denn auch auf die Aktivist*innen. Doch es gab auch nachdenkliche Stimmen. »Ich bin froh, dass mein Sohn bei Rheinmetall Arbeit gefunden hat«, sagte ein älterer Mann in der Nähe des Bahnhofs Unterlüß. »Aber der würde auch lieber etwas anderes als Waffen produzieren«, fügte er hinzu. Rheinmetall beschäftigt in Unterlüß mehr als 1800 Menschen und ist damit der größte Arbeitgeber der Region.

Auf der Demonstration war auch die Hamburger IG Metall mit einem Transparent vertreten. Darauf wurde eine schnelle Konversion, die Umwandlung von Rüstung- in Zivilproduktion, verlangt. »Vielleicht sollte dieses Thema beim nächsten Camp in Unterlüß eine größere Rolle spielen«, meinte eine Aktivistin im Gespräch mit »nd«.

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