Bürgerliche AfD?

Andreas Koristka verrät, ab wann es für eine Union-AfD-Koalition reichen würde

Früher war die Sache einfach: Man ging zum Herrenausstatter seines Vertrauens und ließ sich von ihm einen Anzug schneidern. Danach kaufte man ein paar gute Zigarren, einen Audi und ein stilvolles Vorort-Haus. Tat man all dies, war man im Nu bürgerlicher als Lars Dietrich, der Mädchenmillionär. Alle Mädchen, alle Frauen rannten einem hinterher. Wenn man diesen Lebensstil über einige Jahrzehnte aufrecht erhalten konnte, durfte man gar auf dem Einwohnermeldeamt vorstellig werden und bekam dort eine offizielle Eintragung in den Personalausweis, die einen als »Bürger« auswies. Damit erhielt man Zugang zur bürgerlichen Gesellschaft, zu den gesellschaftlichen Schalthebeln der Macht und freien Eintritt in den Zoo. All das unterschied einen in der Folge von den restlichen Einwohnern des Landes, dem sogenannten Plebs.

Doch seitdem diese offizielle Regelung auf Druck der Grünen hin in den 80er Jahren abgeschafft wurde, ist die Lage leider nicht mehr ganz so übersichtlich. Deshalb müssen sich heutzutage Alexander Gauland (AfD) und Ulf Poschardt (SUV) hinter der »Welt«-Online-Bezahlschranke darüber streiten, was denn nun eigentlich bürgerlich ist.

Klar ist so viel: Bürgerlichkeit, das ist etwas, was man nicht so recht in Worte fassen kann, schon gar nicht können das Gauland oder Poschardt. Man ist es oder eben - oder man ist es nicht. Die Sache ist wenig erforscht, aber es scheint so zu sein, dass manche Menschen schon mit einer bürgerlichen Veranlagung geboren werden. Zum Beispiel Philipp Amthor von der CDU. Andere werden es erst im Laufe ihres Lebens, wie Joschka Fischer. Ganz andere werden es komischerweise nie - siehe Adolf Hitler.

Alles ist also recht kompliziert. Und es wird umso komplizierter in Anbetracht der Tatsache, dass seit Neuestem auch die AfD bürgerlich sein möchte. Das ist natürlich erst einmal ihr gutes Recht, denn unser heiliges Deutschland ist immer noch ein freies Land, in dem man ja wohl noch wird sagen können, dass man sich mindestens zweimal so bürgerlich fühlt wie Johann Buddenbrook an einem gewöhnlichen Montagmorgen auf dem Weg zur Lübecker Börse. Und dass man auf diesem besagten Weg nicht von allein reisenden Messermännern niedergestochen werden möchte, damit diese die blonde barbusige Begleitung vergewaltigen können, sollte auch eine Selbstverständlichkeit sein.

Dennoch gibt es nun mal in unserem Land nur drei bürgerliche Parteien, und das sind CDU, CSU und die FDP. Wenn die AfD so bürgerlich wäre, wie sie tut, würde sie diese Gegebenheit mit dem standesgemäßen Langmut akzeptieren. Denn die Akzeptanz gesellschaftlicher Regeln ist ein hoher bürgerlicher Wert an sich. Wenn AfDler hingegen darauf dringen, dass Horst Seehofer genauso rassistisch sei wie sie selbst und dass Erika Steinbach den Verlust des Sudetenlandes bis vor Kurzem ganz selbstverständlich in der bürgerlichen Union abtrauern durfte und damit die Union ja wohl kein Deut bürgerlicher als die Alternative sei, dann beweist das nur, dass man gewisse bürgerliche Regeln dieses Landes nicht akzeptiert.

Und so lange, wie das der Fall ist, ist eben auch eine Union-AfD-Koalition nicht möglich. Die wird es nämlich erst geben, wenn die AfD nach vielen, vielen langen Jahren in den Parlamenten bewiesen hat, dass sie nur Ausländern und Linken an den Kragen will und nicht vielleicht doch auch ein bisschen den anderen bürgerlichen Kräften. Die Ausrufung der Jagd (wenngleich ein sehr bürgerliches Hobby) auf Angela Merkel durch den AfD-Vorsitzenden höchstselbst könnte sich in diesem Zusammenhang noch als ziemlicher Schuss ins Bein herausstellen. Aber die Zeit heilt alle Wunden. Die Union hat es in der Vergangenheit geschafft, aus überzeugten Nazis waschechte bürgerliche Demokraten zu machen. Vielleicht gelingt ihr das eines fernen Tages sogar mit einer ganzen Partei.

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