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Haltet die Klima-Zechpreller!
Die Verursacher der Klimakrise sind die Großkonzerne - und die müssen abkassiert werden, meint Lorenz Gösta Beutin
»Wenn wir den Klimaschutz vorantreiben wollen, wird es Geld kosten.« Es war bei der »Elefantenrunde« im Bundestag zu den Haushaltsberatungen am Mittwoch, in der Angela Merkel das Wahlvolk erstmals hörbar darauf einstellte, dass es für die »Menschheitsaufgabe« Klimaschutz künftig tief ins Portemonnaie greifen muss. Zuvor verkündete CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer im TV-Sommerinterview die Binsenweisheit, dass »Klimaschutz nicht zum Nulltarif geht«. Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus bekräftigte diese Ankündigungen und forderte einen »nationalen Klimakonsens«, alle demokratischen Parteien müssten die Regierungspolitik mittragen. Weil die GroKo nicht an der »Schwarzen Null« rütteln will, machte Brinkhaus dann auch klar, wer die notwendigen Anstrengungen zu stemmen hat. Beim Klimaschutz, so der Merkel-Vertraute, stehe »immer die Eigenverantwortung des Einzelnen« im Vordergrund.
Die Klimafrage lässt sich nicht mehr zurück in die Kiste stecken. Das ist gut so. Immer mehr Deutsche finden, dass die Klimakrise eines der dringendsten Probleme unserer Zeit ist. Einer aktuellen Umfrage zufolge erklärte immerhin jeder Dritte, dass der Klimawandel gestoppt werden muss. Oder der Planet fliegt uns um die Ohren. Die Mehrheit ist heute bereit, ihr Konsumverhalten zu ändern, um weniger Treibhausgase in die Luft zu pusten.
Auch die Politik hat verstanden, dass Klimaschutzpolitik aus dem Koma der vergangenen Jahre erwachen muss. Zu stark ist der Druck von Ende Gelände, FridaysForFuture, Extinction Rebellion und anderen in Kohlegruben, auf Straßen und Plätzen und im Internet geworden. Am Klimaschutz geht kein Weg mehr vorbei.
Am 20. September will das dauerkriselnde Regierungsbündnis darum ein »Klimapaket« auf den Weg bringen. Am selben Tag also, an dem weltweit für die Rettung des Klimas gestreikt wird. Schon jetzt ist klar, dass das »Klimapaket« zu wenig neuen Klimaschutz und zu viel neue Ungerechtigkeiten bringt. Die zu erwartenden Klimaschutzmaßnahmen, die erstmal nur auf dem Papier stehen, werden in der Summe nicht ausreichen, um das 2030-Klimaziel der Bundesregierung - mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase gegenüber 1990 - zu erreichen. Zudem: Das Regierungsziel ist viel zu schwach, um Deutschlands fairen Anteil beizusteuern, die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad steigen zu lassen - so wie es das Pariser Abkommen fordert.
Die größte Ungerechtigkeit ist aber, dass die kleinen und mittleren Haushalte den Klimaschutz bezahlen sollen. Sei es durch die Einführung einer Abgabe auf CO2-Ausstoß, wie es die SPD wünscht, oder die Ausweitung des CO2-Zertifikate-Handels auf Autobenzin und Heizöl. Beide Vorschläge sind Expertenmeinung zufolge nicht klimawirksam genug. Bloß keine Ordnungspolitik, bloß keine »Verbotsorgie«, bloß nicht die Aktienkurse in Gefahr bringen, ist die neoliberale Denke dahinter. Die Folge: Beide Vorschläge gehen auf Kosten des Einzelnen.
Dass die versprochene Rückzahlung von CO2-Mehrausgaben beim Pendler mit Benziner oder Rentner mit Ölheizung funktioniert, ist mehr als fragwürdig. Natürlich muss das Verbrennen von Öl und Gas endlich so viel kosten, wie durch Klimakrise, Umweltzerstörung und Gesundheitsschäden verursacht wird. Doch es ist ungerecht, die Verbraucher in Klimahaftung zu nehmen - vor allem solange es keine Alternativen gibt.
Dabei ist es die Wirtschaft, die vorgibt, was konsumiert wird: Ohne Bushaltestellen oder Bahnhöfe auf dem Land muss man mit dem Privatauto fahren. Weil bis heute nur Benzin-Autos bezahlbar sind und Ladesäulen an jeder Straßenecke Zukunftsmusik sind, kann nicht jeder mir-nichts-dir-nichts auf ein Ökostrom-E-Auto umsteigen. Weil Biofleisch das Dreifache kostet wie ein normales Steak, wird nicht jeder von einem Tag auf den nächsten zum Öko. Solange Millionen zu einem Hungerlohn arbeiten, ist jeder Euro extra ein Euro zu viel.
Durch eine neoliberale Klimaschutzpolitik drohen die Armen wieder hinten runter zu fallen. Die blau lackierten Faschisten bieten die vermeintlich einfache Lösung an: leugnen. Um den Rechten nicht den Boden zu überlassen, muss sich eine linke Klimapolitik unterscheiden, muss anders als alle anderen die Klimakrise auch als Krise der Gerechtigkeit begreifen.
Wenn es beim »Klimapaket« so kommt, wie es derzeit aussieht, dann ist die Industrie wie schon bei der Energiewende, wo sie Milliarden Euro an Ökostromprivilegien auf Kosten der anderen genießen, fein raus. So erklärt sich die Klima-Scharmoffensive der Union um Unterstützung für ihre bitteren Pillen, die sie der Mehrheit verabreichen will. Die Angst vor Frankreichs Gelbwesten sitzt tief.
Die LINKE wird keinen faulen Klimakompromiss mittragen. Wir wollen die Energiekonzerne, die Autohersteller, die Stahlindustrie, die großen Lebensmittelproduzenten und die Airlines zur Verantwortung ziehen. Fast 70 Prozent der CO2-Emissionen weltweit werden von 100 Aktienunternehmen verursacht. In Deutschland ist die Industrie der größte Klimaverschmutzer. Sie prellen die Klimazeche. Doch nur wer die großen Klimazerstörer zur Kasse bittet, der macht gerechten Klimaschutz möglich.
Der Autor ist Klima- und Energiepolitiker der Linken im Bundestag.
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