- Politik
- Proteste gegen die IAA
1:0 gegen die Autoindustrie
In Frankfurt haben am Samstag tausende Menschen für eine radikale Verkehrswende demonstriert. Anlass der Demonstration war die Automesse IAA.
Sie kamen mit ihren Fahrrädern aus allen Himmelsrichtungen, in einer Sternfahrt aus Städten wie Aschaffenburg, Gießen oder Mannheim, wo es schon um 5:40 Uhr losging. Unter dem Motto »aussteigen« hatten zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und Fahrradverbände zu einer großen Protestaktion für mehr Radwege und fahrradfreundliche Innenstädte aufgerufen. Am Ende folgten diesem Aufruf 25.000 Menschen. Die Art zu demonstrieren, war in diesem Fall selbst ein Statement. Fahrräder als Symbol für eine andere Mobilität. Lasten-, Liege und Tandemräder, darüber hinaus die unterschiedlichsten Anhängerkonstruktionen waren zu sehen. Viele Menschen kamen mit ihren Kindern und auch Fahrradfahrer*innen im fortgeschrittenen Alter waren dabei. Ein deutlicher Kontrast zu den auf der IAA präsentierten Autos, bei denen es vor allem um Größe und Geschwindigkeit geht.
Protest gegen die IAA ist nicht neu. Umwelt- und Verkehrsaktivist*innen engagieren sich seit Jahren gegen die Leistungsschau der Autoindustrie. Doch noch nie war der Protest so groß und breit wie in diesem Jahr. Beim Herstellerverband VDA sorgt das offensichtlich für Frust. Der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der eigentlich immer ein Grußwort zur Messeeröffnung hält, wurde in diesem Jahr nicht eingeladen. Seine geplante Rede, in der er äußerst kritisch mit der Autoindustrie umging, veröffentlichte er auf Facebook. Darin heißt es unter anderem: »Ich möchte ehrlich sein: Frankfurt braucht mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs.« So etwas wollte der VDA nicht hören. Eine Auto-kritische Stimmung hatte sich in Frankfurt breit gemacht. Beste Voraussetzungen für den Protest.
»Die Sonne scheint, das Wetter ist gut: Wenn man Spaß daran hat, kann man es ja machen«, kommentierte ein Autofahrer aus seinem Cabriolet heraus die Demonstration. Allerdings gäbe es seiner Meinung nach genug Radwege in Frankfurt. Das politische Anliegen der Demonstrierenden teile er daher nicht. Andere Autofahrer*innen nahmen den Protest nicht so entspannt auf. »Ich bin ein bisschen angefressen wegen der Demo«, sagte ein Mann, der sich nur als Herr Maier vorstellte. Er habe mit der IAA nichts zu tun und werde durch die Fahrradfahrer*innen gezwungen, heute noch mehr CO2 auszustoßen, da er viel im Stau stehe. Das sei kontraproduktiv. Er habe im Vorfeld nichts von den Protesten gehört und es würden die falschen Menschen gestört. »Die sollten lieber die IAA direkt blockieren«, forderte Maier. So konstruktive Vorschläge hatte nicht jeder. Beim Blick auf die Demonstration machten zwei junge IAA-Besucher ihrem Ärger Luft: »Ahh, da sind die Wichser endlich«, sagte einer. Sein Begleiter antwortete:»Eigentlich müsste man da mit einem Baseballschläger rein!«
Eine junge Teilnehmerin, die sich als Dorothea vorstellte, entgegnete auf den Autofahrer, »er hätte seinen Motor einfach ausstellen sollen, dann würde er auch nicht so viel CO2 ausstoßen«. Dass es in Frankfurt bereits genug Radwege gäbe, teilte sie nicht: Besonders in der Innenstadt gäbe es nicht genug Platz für Fahrradfahrer*innen.
Am Samstag konnten die Teilnehmer*innen allerdings ungewohnt viel Platz genießen: Die Autobahn A661 wurde für die Fahrraddemo gesperrt und von mehr als 2000 Fahrradfahrer*innen erobert. Auch in Frankfurts Innenstadt wurden viele Straßen in beiden Fahrtrichtungen gesperrt. Angekommen auf dem Messegelände kommentierte Tadzio Müller, der sich seit Jahren in der Klimabewegung engagiert, die Demonstration mit den Worten: »Die neue Anti-Auto-Bewegung hat jetzt schon gewonnen.« Mittlerweile sei allen klar, dass es nicht nur um SUVs oder den Verbrennungsmotor gehe sondern gegen die Autogesellschaft, den Autokapitalismus an sich. Es stehe 1:0 für die Bewegung gegen die Autoindustrie.
Einen kleinen Vorgeschmack auf die vom Bündnis »Sand im Getriebe« für Sonntag geplanten Blockaden der Automesse gaben am Samstagnachmittag Aktive von »Fridays for Future« und »Attac«. Statt sich auf der Abschlusskundgebung die Reden anzuhören, postierten sie sich direkt vor dem Messeeingang der IAA und riefen Parolen für Klimagerechtigkeit und gegen den Kapitalismus. Die Polizei reagierte darauf mit freundlichen Ansprachen und dem langsamen weggeleiten der Protestierenden. Ob es am Sonntag, wenn hunderte Klimaaktivist*innen das Ziel verfolgen, die Messe komplett zu blockieren, auch so entspannt zugeht, bleibt offen.
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