Kiezmarkt statt Luxus-Essen

Mehr als 100 Menschen demonstrierten in Kreuzberg gegen die Entwicklungen in der Markthalle Neun

  • Elisabeth Voss
  • Lesedauer: 2 Min.

Mehr als 100 Nachbar*innen forderten am Samstag vor der Markthalle Neun in der Eisenbahnstraße in Berlin-Kreuzberg: »Kiezmarkthalle statt Luxus-Food-Halle«. Im Jahr 2011 hatte die Stadt die heruntergekommene Markthalle für nur 1,15 Millionen Euro privatisiert. Ausschlaggebend für den Preisnachlass war das Konzept einer »Markthalle für alle«. Die Enttäuschung ist groß, denn stattdessen entstand so etwas wie eine Event-Location, die immer mehr Tourist*innen anlockt. Von den lokalen und handwerklich hergestellten Produkten, mit denen die Markthalle wirbt, fühlen sich viele Anwohner*innen nicht angesprochen, denn sie können sich den »kuratierten Käse« oder das Fleisch von »glücklichen Tieren« nicht leisten. Das Fass zum Überlaufen brachte die Kündigung des in der Markthalle verbliebenen Aldi-Marktes. Stattdessen soll ein Drogeriemarkt einziehen.

Mit dem Slogan »Wir haben es satt! Für eine bezahlbare Stadt« hat die Initiative »Kiezmarkthalle« zum Protest aufgerufen. Sie hält es »für klaren Subventionsbetrug«, dass sich die Betreiber nicht an die ursprünglichen Zusagen halten, sagt die Sprecherin der Initiative, Susanne Schneider. Die »Stadtteil-Initiative Kreuzberg 36« lehnt eine Markthalle »für die Reichen« sogar gänzlich ab.

»Ich brauche den Aldi, denn ich kann nicht weit laufen« sagt eine ältere Nachbarin, die einen Rollator braucht, am Samstag ins Mikrofon. »Die Bonzen sollen sich schämen.« Die Markthalle profitiert vom Lokalkolorit des Kiezes, aber: »Die wollen doch nur Kohle machen auf unsere Kosten.« Die Aldi-Kündigung sei zudem rassistisch, weil viele türkische Nachbar*innen dort einkaufen. Es gehe nicht um den Aldi, »wir gehen nicht für die Milliardäre auf die Straße«, sondern um den drohenden Verlust einer günstigen Einkaufsmöglichkeit, und um die Verdrängung ärmerer Menschen aus dem Kiez.

Der SPD-Bezirksverordneten Sevim Aydin fehlt die soziale Verantwortung und sie weist auf ein Klageverfahren wegen der Zweckentfremdung von Wohnungen im Gebäude der Markthalle hin. Karl-Heinz Ludewig vom Bezirksvorstand der Linkspartei fordert die Veröffentlichung der Bedingungen, unter denen die Halle verkauft wurde, und eine echte Beteiligung der Anwohner*innen.

Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hat unlängst einen Dialogprozess in die Wege geleitet und die Mediatorin Doris Wietfeldt beauftragt. Nach nd-Informationen ist der Vertrag für die Mediaton unterzeichnet worden. Aus Sicht der Kiezinitiatve ist die Mediatorin jedoch nicht neutral, denn sie soll schon ein Treffen im April verkürzt und einseitig protokolliert haben, hieß es.

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