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Trümmertruppe gegen Gurkenauswahl

Mit den Eisernen durch die Bundesliga: Zu jedem Heimspiel schicken wir einen anderen Autor in die Alte Försterei - gegen Werder Bremen: Fabian Hillebrand.

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Die beste Analyse eines Fußballspiels gibt es nicht auf Sky oder Eurosport. Am profundesten wird auf dem Rückweg vom Stadion ausgewertet. Immer. Egal wo in dieser Welt. Dort treffen sich die Anhänger der rivalisierenden Fanlager und lassen die Köpfe rauchen. Diesmal: Die Fischköppe aus Bremen mit den eisernen Rittern aus Berlin.

»Das war Not gegen Elend«, kommentiert ein Unioner in rotter Kutte. Werder Bremen war durch zehn Verletzungen mit einem C-Kader und etlichen Aushilfen aus den Jugendmannschaften in das Spiel gegangen. »Eine Trümmertruppe gegen eine Gurkenauswahl«, kommentiert ein Werderaner, dem mindestens 20 Schals als Erinnerungen an große Zeiten vom Hals baumeln. »Das konnte ja kein Glanz-und-Gloria-Spiel werden, schließlich spielen da die einzigen Rot-Rot-Grün regierten Länder gegeneinander«, brüllt ein anderer. Lautes Lachen erfüllt die Straßenbahn.

Steckbrief

Autor: Fabian Hillebrand

Alter: 26

Mein erstes Mal im Stadion:

2003, Hertha BSC gegen Bremen, Werder das erste Mal in Grün-Orange.

Union wird am Ende:

am vorletzten Spieltag Hoffenheim schlagen und damit Werder zurück nach Europa schießen

Obwohl das nicht ganz stimmt, auch in Thüringen die LINKE gemeinsam mit den Grünen und der SPD regiert, lohnt es, sich das einmal vorzustellen: Mannschaftskapitän Michael Müller führt sein Berliner Team aufs Spielfeld. In der Innenverteidigung sorgt er für Ruhe. Das ist auch vonnöten gegen Bremens Senkrechtstarter Andreas Bovenschulte, der mit wuchtigen Angriffen Gefahr vor dem Tor versprüht. Schon in der sechsten Minute gibt es einen Elfmeter gegen Berlin. Die Zuschauer in der Alten Försterei plädieren zwar mehrheitlich auf Schwalbe, aber ein Fußballspiel ist nun mal keine Senatsdebatte. Bremen verwandelt, liegt nun vorne.

Ulrich Mäurer will fortan hinten abriegeln und den Kasten »sauber« halten. Der »Sheriff von Bremen« verursacht aber kurz darauf ein völlig unnötiges Handspiel. Nächster Elfer. Für Berlin verwandelt der linke Flügelflitzer Klaus Lederer gewohnt lässig. Dann plätschert das Spiel so langsam vor sich hin wie eine Bundesratsdebatte.

In der zweiten Halbzeit schalten sich erneut die Berliner Fans ein. »Lompscher, Lompscher« fordern sie. Wer, wenn nicht sie, sollte den Deckel auf dieses Spiel machen. Für ihre anschließende Einwechslung hat der suspendierte Co-Trainer Andrej Holm nur ein müdes Lächeln übrig. Er hätte für radikalere Lösungen plädiert. Tatsächlich gewinnt Bremen das Spiel durch ein unspektakuläres Eckentor.

Während ich in der Bahn sitze, denke ich: »Eigentlich gar nicht so schlecht, dieses Rot-Rot-Grün. Oder Rot-Grün-Rot. Und dann erst das Allstar-Team. Mit Katja Kipping und Bernd Riexinger auf der linken Außenbahn. Als Edeltransfer für den Sturm könnte Christian Ströbele aus dem Ruhestand verpflichtet werden. Er hätte das Zeug, Methusalem Claudio Pizzaro als ältesten Torschützen ablösen. Mannschaftsarzt Cem Özdemir sorgt nach dem Spiel für das richtige Mittel zur Entspannung. Heiko Maas und Robert Habeck haben es leider nicht in die Startelf geschafft, kurbeln aber mit ihrem hervorragenden Aussehen die Trikotverkäufe an. Wichtigste Person des Teams wäre Kevin Kühnert. Allerdings als Vorsänger der Ultras.

Während ich träume, dreht sich das Fangespräch in der Bahn weiter. «Hör mir auf du, Fußball und Politik, das gehört schön getrennt für mich», sagt eine Frau in grüner Klamotte.

Das sahen einige Unioner anders. Während des Spiels zeigen sie ein Spruchband: «Kein Stadionverbot fürs Geschlecht. Fan sein ist ein Menschenrecht. RIP Sahar Khodayari.» Am 12. März kleidete sich die Frau ganz in Blau und als Mann. Nur so gelangte sie ins Stadion. Dafür drohte ihr eine Gefängnisstrafe. Die «Blaue Frau», unter diesem Titel ist sie im Iran bekannt geworden, zündete sich vor dem Gericht, welches die Strafe verhängen sollte, selber an. Dass die Unioner daran erinnern, tut der unpolitischen ersten Bundesliga gut. Alleine deshalb sollten sie ihr erhalten bleiben.

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