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Gretchen und die Preisfrage
Bundesregierung verteidigt Klimapaket, Umweltverbände fordern Nachbesserungen
»Ich bin überzeugt, dass der Gesamtmechanismus geeignet ist, Deutschland auf Zielkurs zu bringen«, ist Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth am Montag in Berlin überzeugt. Nach einem Wochenende voll der Kritik am Klimapaket der Bundesregierung, das dafür sorgen soll, dass die Bundesrepublik ihre Klimaziele erreichen kann, verteidigte Flasbarth die Pläne der Koalition, räumte aber auch ein, es könne passieren, dass man am Anfang des kommenden Jahrzehnts noch hinter den Plänen zurückbleibe. Als Gretchenfrage kristallisiert sich zunehmend die des Preises für Kohlendioxid heraus. Die Bepreisung, die Erdgas, Heizöl, Kohle, Diesel und Benzin verteuern soll, sei »sehr gering, das stimmt«, so Flasbarth. Das Signal sei: »Es wird schrittweise teurer, aber es wird nur moderat teurer.« Ab 2021 sollen zehn Euro pro Tonne CO2 fällig werden, bis 2025 soll der Preis schrittweise auf etwa 35 Euro steigen.
Der Preis ist zu niedrig
Die Logik hinter dem CO2-Preis ist eigentlich bestechend einfach: Wer das Klima stark schädigt, muss entsprechend tiefer in die Tasche greifen. Mit den Einnahmen kann der Staat soziale Härten abfedern und Bürger mit besonders umweltbewusstem Verhalten belohnen. Nötig ist dafür aber ein über die Jahre ansteigender und ausreichend hoher CO2-Preis, während der Staat etwa im Verkehrsbereich das Geld durch einen Pro-Kopf-Klimabonus und ein je Kilometer für alle Pendler einheitliches Mobilitätsgeld zurückgibt. Letztlich ist es Sinn und Zweck, klimafreundliches Verhalten dadurch anzuregen.
Die Bundesregierung macht es ganz anders: Die Preiserhöhung über Emissionshandelszertifikate ist mit drei Cent pro Liter Sprit ab 2021 viel zu niedrig, und die Kompensation geschieht über die Erhöhung der Pendlerpauschale um fünf Cent pro Kilometer, also das Einkommensteuersystem. Dabei ist klar: Von solchen Steuersubventionen profitieren diejenigen mit den höchsten Steuersätzen am meisten, Normalverdiener deutlich weniger und Niedriglöhner gar nicht, da sie ja keine Steuern zahlen.
Berechnungen der Grünen-Bundestagsfraktion belegen dies. Demnach kommen Niedrigverdiener mit dem Eingangssteuersatz von 15 Prozent, die 60 Kilometer pro Strecke pendeln und deren Auto sieben Liter je 100 Kilometer verbraucht, auf ein Gesamtplus von 10,56 Euro. Bei Menschen, die den höchsten Steuersatz zahlen, steigt die Erstattung durch die Pendlerpauschale bei gleicher Strecke und gleichem Verbrauch von 1480 auf 1700 Euro; abzüglich der Sprit-Mehrbelastung bleibt ihnen ein sattes Plus von 164,56 Euro. Letztlich kommen Topverdiener also nicht nur am besten weg – sie werden für ihr klimaschädliches Vielfahren auch noch belohnt.
»Weniger Lenkungswirkung geht kaum«, kommentiert der Vizevorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Oliver Krischer, gegenüber »nd«. »So sieht leider Klimaschutz in Zeiten der großen Koalition aus.« Kurt Stenger
Für die Kritiker des Klimapakets, die zu Wochenbeginn mit Angriffen auf die Beschlüsse ordentlich nachlegten, ist das allerdings ein fatales Signal und die Maßnahme so auch ungeeignet, überhaupt eine Wirkung zu entfalten. Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts, etwa erwartet von der geplanten CO2-Bepreisung »keinerlei Lenkungswirkung«, wie sie der »Süddeutschen Zeitung« sagte. Es müssten auch »deutlich mehr Angebote zur Förderung des klimaschonenden Verkehrs« erfolgen als in dem Maßnahmenpaket vorgesehen. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erklärte der Zeitung, er habe sich mehr gewünscht und schlug vor, »ein höheres Niveau beim CO2-Preis zu erreichen und mit dem Erlös den Strompreis nachhaltig zu senken«.
Auch Grünen-Chef Robert Habeck fordert vor allem Änderungen beim Preis. »Die Hauptaufgabe ist ja, CO2 einen Preis zu geben, der höher sein muss«, sagte Habeck im ZDF-»Morgenmagazin«. Um eine Lenkungswirkung zu erzielen und die Menge an CO2-Ausstoß zu verkleinern, müsse der Preis von Anfang an deutlich steigen. »Wir müssen den Druck nach vorne kriegen, nicht nach hinten.« Die Bundesregierung mache dies genau falsch, sie lasse sich mit den vorgeschlagenen Preiserhöhungen am Anfang »sehr viel Zeit«.
Zahlreiche Umweltverbände forderten am Montag gemeinsam eine komplette Neufassung des Maßnahmenpakets. »Dieses Klimapaket ist nicht unser Klimapaket«, so die Verbände, darunter der BUND, Greenpeace und Germanwatch. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, erklärte, dass mit den beschlossenen Maßnahmen beim CO2-Ausstoß »bestenfalls ein Drittel der Minderung erreicht würde, die erforderlich wäre«. Die Bundesregierung sei damit auf dem Pfad zu einer Erderwärmung um 3,5 Grad, statt wie vom Pariser Klimaabkommen gefordert von 1,5 Grad. Niebert rief den Bundestag zu Nachbesserungen auf, besonders beim CO2-Preis, den er als »wirkungslos« bezeichnet.
Kritik kommt auch vom früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU), der das Klimapaket ebenfalls für nicht ausreichend hält. Es sei »nicht möglich«, dass die Bundesregierung damit die bis zum Jahr 2030 anvisierte CO2-Einsparung erreichen könne, erklärte Töpfer im Bayerischen Rundfunk. Er sei fest davon überzeugt, dass das Paket nachgebessert werden müsse.
Nachbesserungen im Bundesrat?
Auch von der FDP kommt Kritik an der CO2-Bepreisung - allerdings nicht an der sehr moderaten Höhe. Bei der Vorstellung einer Legislatur-Halbzeitbilanz erklärte Parteichef Christian Lindner unter anderem, die Klimapolitik der Bundesregierung sei nicht zielgerichtet und die vorgesehenen Maßnahmen seien nicht effektiv. Das geplante Zertifikatemodell zur Bepreisung des CO2-Ausstoßes sei eigentlich eine CO2-Steuer. Wirkungsvoller und transparenter sei ein freier Handel mit Emissionsrechten. »Der Klimaschutz wird nicht als technologische Herausforderung und als Anlass für Erfindergeist gesehen, sondern ist letztlich der Einstieg in eine komplette Planwirtschaft«, so Lindner. Die Bundesregierung warnte er davor, beim Klimaschutz auf die »Rigorosität« der Grünen einzugehen. Andernfalls würde die FDP die Vorhaben im Bundesrat nicht mittragen. Den Grünen gehe es nicht um Klimaschutz, sondern um einen »Kulturkampf« gegen die individuelle Mobilität durch das Auto. Die FDP regiert derzeit in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein mit.
Mehrere der Maßnahmen des Klimapakets werden voraussichtlich der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. Dabei ist die Bundesregierung auch auf Stimmen von Ländern angewiesen, in denen die Grünen mitregieren. Unter Umständen könnte auch die Unterstützung der FDP erforderlich werden. Die Grünen hatten angekündigt, über ihre Macht im Bundesrat Einfluss auf das Klimapaket nehmen zu wollen. Die Partei regiert derzeit in neun Landesregierungen mit und könnte zustimmungspflichtige Gesetze daher blockieren. Zudem ist eine Beteiligung an den künftigen Landesregierungen in Brandenburg und Sachsen möglich. Mit Agenturen
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