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Digitalisierung sozial gerecht
Ver.di fordert mehr Mitbestimmung bei Digitalisierung und einen sinnvollen und regulierten Einsatz von neuer Technik.
Die Robotik biete anschauliche Beispiele. Matthias Peissner vom Fraunhofer Institut tritt ein Stück auf der Bühne zur Seite, auf den großen Videoleinwänden im Kongresssaal in der Leipziger Messe läuft ein Film. Es ist zu sehen, wie in einer Fabrik ein Mensch vor einer Glasscheibe ausladende Bewegungen mit den Armen macht, als würde er eine Autotür über Kopf von rechts nach links heben und in irgendetwas einhängen. Das Ganze sieht ein bisschen aus wie langsamer Ausdruckstanz. Hinter der Sicherheitsscheibe in fünf Meter Entfernung führt ein Roboter die exakt gleiche Bewegung aus, nur dass er tatsächlich eine Autotür bewegt, einhängt und die nächste vom Band nimmt.
Mit Bewegungssensoren steuert der Mensch die Maschine. Fraunhofer hat die Technik entwickelt, die so weit reicht, dass die Beschäftigten im laufenden Produktionsprozess die Programme anpassen können. Eine Anzeigetafel in der Produktionshalle zeigt die beste Reihenfolge an, in der die Maschinen bedient werden; von der KI berechnet.
An dieser Stelle hilft die Technik, erleichtert die Arbeit körperlich und auch geistig, aber das ist nicht immer so. Oft klagen Beschäftigte, wenn sie neue Prozesse und Programme bedienen müssen, über mehr Stress und Arbeitsbelastung.
Dennoch appellierte Peissner besonders an die Betriebs- und Personalräte unter den Delegierten, bei der Einführung neuer Technik nicht als Erstes die Probleme zu sehen, sondern die Chancen. Voraussetzung sei die Offenheit der Kolleginnen und Kollegen, vor allem müssten die Unternehmen die Möglichkeiten zu umfassender und permanenter Weiterbildung schaffen.
»Arbeitgeber gucken bei der Digitalisierung nur auf das technisch Machbare«, sagt ver.di-Vorstandsmitglied Christoph Schmitz gegenüber »nd«. Aus Beschäftigenperspektive und aus gesellschaftspolitischer Sicht sei es ein anderer Blick: »Wie will ich arbeiten und wie kann Technik dabei helfen.« KI und Digitalisierung böten Arbeitgebern die Chance, Prozesse zu vereinfachen. »Sie bieten aber auch zum Teil heute noch unbekannte Möglichkeiten zur Überwachung und Kontrolle der Beschäftigten«, so Schmitz weiter. »Bei künstlicher Intelligenz ist es anders als früher bei technischen Neuerung nicht mehr möglich, im Vorfeld zu sagen, welche Auswertungen und Verknüpfungen am Ende vorgenommen werden.«
Die Delegierten verabschiedeten im Anschluss an Peissners Input den Leitantrag »Künstliche Intelligenz und neue Arbeitsformen gemeinwohldienlich und menschengerecht gestalten«. Darin fordert ver.di unter anderem die Erweiterung der Mitbestimmung und wirtschaftlichen Demokratisierung, um den wachsenden Möglichkeiten der Arbeitgeber, Arbeit und Standorte zu verlagern, etwas entgegensetzen zu können. Zudem will ver.di neue Arbeitsformen wie das Crowdworking reguliert sehen sowie klare Schutzgrenzen und ein Überwinden der digitalen Spaltung. Heißt: Die zunehmende automatisierte Bewertung von Menschen auf Basis von Algorithmen führt zur Entsolidarisierung. Grenzen bestehen zwischen Arbeitswelt und Gesellschaft, wenn nicht alle gleichermaßen Zugang zur Vermittlung digitaler Basiskompetenzen oder den Zugang zu einer Breitbandinternetverbindung haben. Und für ver.di gehört zu dieser sozialen Kontrolle der Digitalisierung auch ein einfacher Schlagsatz: »Nicht alles, was digitalisiert werden kann, muss digitalisiert werden.« Das heißt, dass nicht die verfügbare Technik bestimmen darf, was gemacht wird, sondern dass die Technik an den Stellen eingesetzt wird, wo sie nötig und sinnvoll ist – nach vorheriger Planung.
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