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»Die Mehrheiten erfordern es«
Sophie Koch (SPD) war die jüngste Teilnehmerin bei den Sondierungen mit CDU und Grünen in Sachsen. Sie hätte viel lieber mit einer Rot-Rot-Grünen Koalition regiert
Frau Koch, im Wahlkampf haben Sie sich für ein Rot-Rot-Grünes Bündnis in Sachsen eingesetzt, nun sind sie als jüngstes Mitglied Teil der Kenia-Sondierungen. Warum?
Ich sehe einerseits die Chance darin, mit zwei Parteien die CDU von ihrem Dominanztrip wegzuholen. Dann muss man sich auch ehrlich fragen, was die Alternativen sind. Da gibt es einmal Neuwahlen. Schwer abzuschätzen, was dabei herauskommt, ob wir am Ende nicht vor der gleichen Misere stehen. Die andere Alternative wäre eine Minderheitsregierung der CDU. Was aber bedeuten würde, dass die CDU sich einfach mit der AfD Mehrheiten sucht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das so einer CDU nicht wehtut.
Sophie Koch ist im Sondierungsteam der sächsischen SPD für die Verhandlungen mit Grünen und CDU über eine gemeinsame Koalition im Freistaat. Beim nächsten Vorstellungsgespräch will sie auf die Frage, wie belastbar sie sei, einfach ihr SPD-Parteibuch vorzeigen. Mit ihr sprach Fabian Hillebrand.
Foto: imago images/Sven Ellger
Ist das nicht eine skurrile Situation? Sie sagen, die CDU steht der AfD in Vielem näher als den Grünen und der SPD. Trotzdem verhandeln Sie mit den Konservativen über eine gemeinsame Regierung.
Na ja, das ist schon themenabhängig. Aber gerade bei Fragen von Demokratie, Integration, innerer Sicherheit steht die CDU meilenweit rechts von SPD und Grünen. Bei bestimmten politische Maßgaben, wie der Verschärfung von Polizeigesetzen, wären sich CDU und AfD mit einem Fingerschnippen einig. Aber genau deshalb ist es wichtig, dass wir versuchen, dass Kenia funktioniert.
Sie waren bei den Sondierungen für Kenia, also Schwarz-Rot-Grün. Gleichzeitig treffen Sie sich weiterhin mit »Umkrempeln«, einer Initiative, die sich für Rot-Rot-Grün in Sachsen einsetzt. Wie geht das zusammen?
Ich gehe pragmatisch an die Situation heran, die wir jetzt haben. Die Mehrheiten erfordern es so. Rot-Rot-Grün ist für mich die einzige Option, dieses Land mal richtig umzukrempeln. Ich will wirklich gute Arbeitsbedingungen, eine gestärkte Demokratie, einen echten Kampf gegen rechts, einen ernsthaften Klimaschutz - das geht meiner Meinung nach nur mit Rot-Rot-Grün. In fünf Jahren müssen wir den Leuten glaubhaft sagen können: Wählt doch Rot-Rot-Grün, wenn ihr die AfD nicht wollt. Dann habt ihr nämlich auch die CDU nicht mehr. Die Möglichkeit einer progressiven Mehrheit war jahrelang einfach nicht da, sie muss sich also erst in den Köpfen setzen. Denn am Ende ist es so: Die Ursache von vielen Problemen hier in Sachsen ist und bleibt 30 Jahre CDU an der Macht.
Und jetzt machen Sie 35 Jahre daraus.
Es ist eine Notlösung. Ich weiß, viele wollen das gerade nicht zugeben. Aber im Endeffekt sind wir keine Wunschpartner. Wir sind weder die Wunschpartner der CDU, noch ist die CDU Wunschpartner von SPD und Grünen. Aber ich denke, man kann sich arrangieren und trotzdem schauen, wie wir die Demokratie wieder hochziehen in diesem Land, den ländlichen Raum stärken, die Gesellschaft wieder zusammenzubringen.
Sie sind jung, schlau, beherrschen die Kommunikation in den sozialen Medien. Warum tun Sie sich überhaupt die SPD an?
Ich wollte nie einfach in der Gewinnerpartei sein.
Das haben Sie geschafft.
Ernsthaft: Ausschlaggebend für meinen Eintritt in die SPD waren für mich Gerechtigkeit als Grundwert, außerdem die Möglichkeit und der Anspruch, wirklich etwas zu verändern. Zweiteres habe ich bei anderen Parteien, die vielleicht auch mit mir zusammenarbeiten, manchmal nicht gesehen.
Auf Bundesebene fällt die SPD Entscheidungen, die weder links noch sozial sind. In der Flüchtlingspolitik beispielsweise.
Ich finde diverse Kompromisse, die gemacht wurden, falsch. Das Problem ist nicht, dass Flüchtlinge nach Deutschland kommen, um hier zu leben. Das Problem ist, dass Menschen in Deutschland Angst haben, in Armut zu landen - weil Arbeit oft nicht gut genug bezahlt wird und Menschen mit Vermögen nicht ausreichend besteuert werden. Nachdem die Vermögenssteuer kassiert wurde, hat sich die SPD da lange nicht mehr herangetraut. Wir müssen das aber machen und endlich mal wieder eine Partei werden, die nicht allen gefällt. Es ist okay, dass mich reiche BMW-Erben nicht wählen. Sollen sie CDU oder FDP wählen. Ihr Geld will ich trotzdem für den Sozialstaat haben.
Viele der Sozialkürzungen sind von der SPD beschlossen worden.
Ja. Und ich entschuldige mich immer noch an gefühlt jedem zweiten Infostand für Hartz IV. Zur Geschichte gehört aber auch, dass wir Jusos von Anfang an dagegen gestanden haben. In Sachsen haben wir es nun auch geschafft, eine Beschlusslage herzustellen, die Sanktionen ablehnt - damit haben wir das schon mal in einem Bundesland. Ich glaube, gerade jetzt ist die SPD bereit, sich zu verändern.
Sie reden von der Partei, in der Olaf Scholz gute Chancen auf den Parteivorsitz hat.
Die Seeheimer waren halt schlauer und haben nur ein Duo aufgestellt. Das linke Lager hat verschiedene Pärchen. Ich hoffe, dass er es nicht wird, trotz dieser Polarisierung. Denn ich will mir momentan nicht ausmalen, was es heißen würde, wenn Olaf Scholz Bundesvorsitzender würde.
Würden Sie dann austreten?
Nee, da müsste Schlimmeres passieren. Aber ich würde schon denken, dass die SPD dann eben selbst schuld wäre an ihrer Misere.
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