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Bundesinnenminister Seehofer: Angriff auf Synagoge hat rechtsextremen Hintergrund
Angreifer auf Synagoge in Halle legte auch selbstgebaute Sprengsätze / Täter streamte die Tat live / Festnahme am Abend
Berlin. Der Angriff von Halle mit zwei Toten hat nach Angaben von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) einen rechtsextremistischen und antisemitischen Hintergrund. Nach Einschätzung des Generalbundesanwalts »gibt es ausreichende Anhaltspunkte für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund«, erklärte Seehofer am Mittwoch. Zuvor war bekannt geworden das der Schütze die Attacke live auf dem Gamingdienst Twitch gestreamt hatte. Die Polizei bestätigte am Abend die Festnahme des Tatverdächtigen.
Neben der Dokumentation seines Angriffes in Echtzeit erklärte der Täter laut Angaben von Journalisten auch seine Motive in Manifestform, ähnlich wie der extrem rechte Attentäter von Christchurch. In dem Video, das »nd« vorliegt, fallen Begriffe wie »Massenmigration«. Der Feminismus sorge für »gesellschaftlichen Niedergang«, so die Wiederholung einer neurechten Verschwörungstheorie. Außerdem leugnet der Täter den Holocaust. Auch Spiegel Online meldet, der Täter habe im Video mehrfach über »Kanaken« und »Juden« geschimpft.
Nach den tödlichen Schüssen in Halle/Saale deutet nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen alles auf nur einen Täter hin. Demnach soll es sich den Angaben zufolge um den gefassten Mann handeln, über dessen Festnahme die Polizei bereits am Nachmittag informiert hatte. Zunächst waren die Ermittler von mehreren Angreifern ausgegangen. Der Täter von Halle ist laut dpa ein 27-Jähriger, der mutmaßlich in Sachsen-Anhalt wohnt. Es sei davon auszugehen, dass der Täter deutscher Staatsangehöriger sei.
Für die beiden Verletzten, die nach dem Angriff in Halle im Universitätsklinikum operiert worden sind, besteht derzeit keine akute Lebensgefahr. Das teilte Sprecher Jens Müller am Mittwochabend mit. Die Frau und der Mann hatten den Angaben nach schwerste Schussverletzungen. Die Operationen seien erfolgreich verlaufen.
Einige Stunden zuvor waren im Zuge des gescheiterten Angriffs auf die Synagoge in Halle am Mittwochmittag zwei Personen getötet worden. Zunächst war unklar, ob es sich um einen oder mehrere Täter handelte. Bei dem Angriff wurden offenbar mit einer Maschinenpistole mehrere Schüsse abgefeuert. Es wurde auch eine Handgranate auf den jüdischen Friedhof geworfen. Bei dem Angriff in Halle/Saale legte der Täter außerdem selbstgebastelte Sprengsätze vor der Synagoge ab.
Die Polizei forderte die Bevölkerung am Mittwochmittag per Online KATWARN-System, mit dem die lokalen Behörden Anwohner im Katastrophenfall per App und SMS warnen, auf sich von Fenstern und Türen fernzuhalten und in ihren Wohnungen zu bleiben. Die Deutsche Bahn erklärte zudem die Sperrung des Bahnhofs Halle (Saale). Außerdem wurde der Verkehr von Bussen und Tram eingestellt, wie die Hallesche Verkehrs AG via Twitter mitteilte. Das Paulus-Viertel rund um die Synagoge in Halle wurde durch die Polizei abgesperrt.
Nach Informationen der »Bild« soll es auch in Wiedersdorf (bei Queis im Kreis Landsberg) zu einem Schusswechsel gekommen sein. Die Polizei bestätigte die Schüsse in Landsberg gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Auch dort wurde von der Polizei an Anwohner eine Gefahrenmeldung herausgegeben. In Halle hat Oberbürgermeister Bernd Wiegand den Stab für Außergewöhnliche Ereignisse einberufen. Er spricht von einer »Amoklage«.
Die Polizei Halle erklärte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, man fahnde »mit Hochdruck« nach den mutmaßlichen Tätern, die in einem Auto auf der Flucht seien. Man sei mit »starken Kräften« im Stadtgebiet unterwegs, erklärte die Polizei weiter. Dabei wurde eine Person festgenommen, meldeten die Sicherheitskräfte kurze Zeit später. Im Laufe des Tages wurde auch die GSG9 hinzugezogen und die Rettungskräfte der Feuerwehr in Alarmbereitschaft versetzt. Erst am Mittwochabend gab die Polize in Halle und im Saalekreis Entwarnung, die Bedrohungslage sei »nicht mehr akut«.
Nach Angaben von Augenzeugen gegenüber dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) trug mindestens einer der Angreifer eine militärische Kampfuniform und war mit »mehreren Waffen« bewaffnet. Ein Video der Tat, das dem MDR vorliegt, zeigt offenbar einen Teil des Angriffs. Zu sehen ist ein Angreifer in einer dunklen polizeiartigen Uniform mit Schutzhelm, der aus einem Auto aussteigt und offenbar mit einer Schrotflinte schießt.
Laut Informationen von Spiegel Online soll der Täter versucht haben in die Synagoge einzudringen, nachdem eine Person in einem nahe gelegenen Imbiss getötet wurde. Laut Max Privorotzki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Halle, wurde versucht in die Synagoge einzudringen. Doch die Sicherungsvorkehrungen am Eingang hätten »dem Angriff standgehalten«. Zum Tatzeitpunkt um etwa 12 Uhr hätten sich 70 bis 80 Personen zum Gebet in der Synagoge befunden. Das versuchte Eindringen in die Synagoge bestätigten auch Sicherheitskreise am Mittwochnachmittag der Deutsche Presse-Agentur.
»Leider wissen wir noch nichts Genaues über Tatablauf und Motive, müssen aber aufgrund der Umstände und der sich verdichtenden Kenntnislage davon ausgehen, das es sich um einem antisemitischen Terrorakt handelt«, sagte Wulf Gallert, LINKE-Politiker und Vize-Präsident des Parlaments in Sachsen-Anhalt am Mittwochnachmittag gegenüber »nd«. Auf eine antisemitische Motivation würden die Aussagen der jüdischen Gemeinde über das versuchte Eindringen in die Synagoge hindeuten. Möglicherweise handele es sich bei den Opfern um zufällige Opfer, die nichts mit der Synagoge zu tun haben. Doch wenn Antisemitismus als Motiv bestätigt würde, müsse das Konsequenzen haben. »Das wäre für Deutschland eine neue Dimension des antisemitischen Terrors, der uns bestürzen muss und der eine ganz klare, eindeutige Reaktion verlangt.«
Auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff hat sich erschüttert über die tödlichen Schüsse in Halle gezeigt. »Ich bin entsetzt über diese verabscheuungswürdige Tat«, erklärte Haseloff am Mittwoch. Dadurch seien nicht nur Menschen zu Tode gekommen, die Tat sei »auch ein feiger Anschlag auf das friedliche Zusammenleben in unserem Land«. Er sprach den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Der Angriff fällt auf das jüdische Yom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag.
Die Bundesregierung hat sich bestürzt über die tödlichen Schüsse von Halle gezeigt. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach am Mittwoch von »schrecklichen Nachrichten«. Dass es zwei Tote gebe, sei »entsetzlich«. Er hoffe sehr, »dass die Polizei den Täter oder die Täter möglichst schnell fassen kann und kein weiterer Mensch in Gefahr kommt«. Die Behörden gehen von einer terroristischen Tat aus, daher übernimmt die Bundesanwaltschaft die Strafverfolgung. nd
Solidaritätskundgebungen gegen Antisemitismus
Dresden Albertplatz 21:00 Uhr
Berlin vor der großen Synagoge/Oranienburger Str. 20:00 Uhr
Wuppertal City-Arkaden 19:00 Uhr
Marburg Hbf 18:00 Uhr
Dortmund Katherinentreppe/Hbf 18:00 Uhr
Dieser Artikel wird laufend aktualisiert, wenn neue Erkenntnisse bekannt werden.
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