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Das Zünglein an der politischen Waage

Die indigene Bewegung Ecuadors hat in den vergangenen 30 Jahren mehrere Präsidenten gestürzt und spielt bei den aktuellen Demonstrationen eine zentrale Rolle

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Mehreren Hundert Demonstrant*innen ist es am Dienstagabend gelungen, das Parlament in Quito, der Hauptstadt Ecuadors, zu stürmen. Ganz vorne mit dabei: Die indigene Bewegung des Landes. Organisiert ist sie seit 1986 im Dachverband der Indigenen Völker Ecuadors (CONAIE). Der politische Arm der CONAIE nennt sich Pachakutik. Obwohl die indigene Bewegung keinesfalls zum ersten Mal eine wichtige politische Rolle spielt, wird ihre Bedeutung in den wenigsten Analysen beleuchtet.

Bereits zwischen 1997 und 2001 konnte die indigene Bewegung als Hauptprotagonistin des sozialen Protestes gegen Sparmaßnahmen und Preiserhöhungen angesehen werden. Schon damals ging es um Strukturanpassungsprogramme, die als Auflage für Kredite vom internationalen Währungsfonds (IWF) gefordert wurden. Am Ende kosteten die Proteste zwei Präsidenten - Abdalá Bucaram 1997 und Jamil Mahuad 2000 - das Amt.

Mit dem Druck auf die jeweilige Regierung gelang es der CONAIE, wichtige Rechte durchzusetzen. So unter anderem die Legalisierung von indigenen selbstverwalteten Territorien, die Anerkennung von Land in kommunalem Besitz und von Kollektivrechten. Die Demonstrationen schafften es zudem, neoliberale Programme eine Zeit lang aufzuhalten.

2003 stürzte die indigene Bewegung in eine Krise

Im Jahre 2002 ging die indigene Partei Pachakutik jedoch ein Bündnis mit einem Präsidentschaftskandidaten und dem Anführer des Putsches von 2000 ein, das sie langfristig schwächte. Lucio Gutiérrez hieß der Mann, ein ehemaliger Militär Oberst, dem der Wahlsieg gelang. Kaum im Amt, vergaß Gutiérrez allerdings seine politischen Versprechen. Den Rückzug aus den neoliberalen Strukturanpassungsprogrammen gab er schnell auf. Dies führte zu starker Kritik, auch an den Abgeordneten von Pachakutik, die wichtige Ämter in der Regierung inne hatten. Als Konsequenz verließ Pachakutik 2003 schließlich freiwillig die Regierung, indigene Aktivisten behaupten auf Druck der Basis. Gutiérrez suchte neue Verbündete im rechten Lager, konnte sich aber nicht mehr lange im Amt halten. 2005 wurde er von der Bewegung Forrajidos um den späteren Präsidenten Rafael Correa gestürzt. Correa und seine Partei Alianza País gingen aus dieser Bewegung hervor.

2006 gelang Correa der Wahlsieg, der dem Land einen Neubeginn versprach. Zu Beginn seiner Amtszeit versuchte Correa, auch das indigene Lager auf seine Seite zu holen. Tatsächlich unterstützte die indigene Bewegung seine Regierung für einige Forderungen, die in die neue Verfassung von 2008 aufgenommen wurden. So wurde das indigene Konzept »sumak kawsay«, des »guten Lebens« als Grundgedanke der Konstitution verankert und Ecuador als plurinationaler Staat definiert. Während ersteres ein Leben im Einklang mit der Natur und somit die Begrenzung der Ausbeutung natürlicher Ressourcen bedeutet, wird durch den zweiten Punkt die Unabhängigkeit von indigenen Völkern und Territorien anerkannt.

Seit 2014 gewinnt Pachakutik wieder an Bedeutung

Die neuen konstitutionellen Rechte wurden jedoch in der Realpolitik von Correa nicht zu Leitlinien seines Regierungsstils. Beispielsweise setzte er weiterhin auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen des Landes. Indigene Aktivisten warfen ihm dabei zum Teil vor, die betroffenen indigenen Gemeinden zu wenig zu befragen und ihre Rechte zu verletzen. Ab 2009 äußerte die CONAIE immer lauter Kritik an Correa und organisierte Blockaden und Protestmärsche gegen ein Gesetzesvorhaben, das den Tagebau ermöglichen sollte. Wenngleich die CONAIE von nun an ein Dorn im Auge von Correa sein sollte, wurde er 2013 zum dritten Mal zum Präsidenten gewählt und konnte sich bis zum Ende seiner Amtszeit 2017 halten.

Bei den Kommunalwahlen 2014 gelang es Pachakutik sich erstmals seit der Krise nach dem Gutiérrez-Bündnis wieder zu berappeln und wurde mit 23 Bürgermeisterposten drittstärkste Kraft. Auf Bundesebene spielt Pachakutik keine große Rolle. So erhielt sie bei den Präsidentschaftswahlen 2017 vier Parlamentssitze, einen weniger als 2014. Doch diese Ergebnisse sind für die indigene Bewegung nicht so entscheidend, da sie sich in erster Linie lokal organisiert. Bei den Regionalwahlen 2017 verlor Pachakutik zwar drei Bürgermeisterposten, legte in den Stadträten aber zu, ein Indiz dafür, dass die Krisenzeit endgültig vorbei ist. Die aktuelle Schlagkraft der indigenen Bewegung bei den Demonstrationen könnte ein weiteres Indiz dafür sein. Ein Grund mehr, sie in den nächsten Tagen nicht aus den Augen zu verlieren.

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