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Kramp-Karrenbauer und ihre Kontrahenten
Die CDU-Vorsitzende will Kanzlerin werden. Doch wer will sie als Kanzlerin?
Selbstbewusst setzte sich Annegret Kramp-Karrenbauer Ende letzten Jahres gegen ihre zwei Mitbewerber um den CDU-Vorsitz durch, selbstbewusst zog sie nach Berlin, die über die Migrationspolitik streitende CDU zu einen, die Partei in die Erfolgsspur zurückzubringen und als Höhepunkt Ex-Parteichefin Angela Merkel auch als Kanzlerin(kandidatin) zu beerben. Kurze Zeit nur ging dieser Plan auf - und dann immer mehr schief.
Kramp-Karrenbaur leistete sich da einen Fauxpas, trat hier und dort ins Fettnäpfchen und muss sich allzu oft nachträglich erklären und Gesagtes richtigstellen. Und das seit der überraschenden Entscheidung, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin nachzufolgen. Zwei der letzten Aufreger um sie: Nach dem rechten Terroranschlag in Halle sprach sie von einem »Alarmsignal«, was als Verharmlosung massiv kritisiert wurde. Und beim Truppenbesuch in Mali gab es öffentlich ausführlich diskutierten soldatischen Unmut, weil die wenige Stunden dauernde Stippvisite unter anderem dafür sorgte, dass die Heimreise von dort Stationierten verschoben werden musste.
Alles keine wirklich großen Skandale, aber eben auch keine positiven Schlagzeilen. Die aber bräuchte die Saarländerin. Hätte sie von Anfang an gebraucht, um die Krise der CDU zu bewältigen, um an der Spitze ihres Schleudersitz-Ministeriums zu bestehen - um schließlich aussichtsreich und mit voller parteilicher Rückendeckung in den Bundestagswahlkampf zu ziehen.
Stattdessen sieht sich Kramp-Karrenbauer nun mit stark gesunkenen Umfragewerten, scheinbar unaufhaltbaren Spekulationen um alternative Kandidaten und einer Diskussion um eine Urwahl konfrontiert. Letzteres auch forciert von der erzkonservativen »Werteunion«. Und für Kramp-Karrenbauer wahrscheinlich gefährlicher: von der Jungen Union (JU). Die stimmte auf ihrem »Deutschlandtag« - ausgerechnet in Saarbrücken, wo Kramp-Karrenbauer als saarländische Ministerpräsidentin einst Erfolge feierte - am Freitag dafür, den Unionskandidaten fürs Kanzleramt von den Parteimitgliedern wählen zu lassen. Einen Tag später legten die beiden Unterlegenen bei der Parteivorsitzendenwahl, der umtriebige Gesundheitsminister Jens Spahn und CDU-Lichtgestalt ohne Amt Friedrich Merz ihre Auftritte hin. Merz einen umjubelten. Zusammen mit dem nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten Armin Laschet und Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder hatten somit gleich vier Männer die Möglichkeit, sich dem Unionsnachwuchs zu präsentieren, denen Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden. Oder im Fall Söders, der desgleichen weit von sich weist, doch hartnäckig als Option ins Spiel gebracht wird.
Doch auch der Parteichefin selbst bereitete die JU am Sonntag in ihrer Heimat einen beklatschten Empfang. Die wiederum absolvierte ihren Auftritt ohne große Fehler, gab sich kämpferisch, ging nur beiläufig auf die Auftritte ihrer Gegner ein, versuchte die anwesenden Delegierten zu umgarnen, präsentierte sich als entschlossene Verteidigungsministerin, griff den politischen Gegner an und stellte klar, wo dieser zu finden sei: »Lasst uns streiten. Aber lasst uns nie vergessen: Der politische Gegner sitzt immer außerhalb unserer Reihen, nie innerhalb.«
Derlei Appelle zur Geschlossenheit allerdings zeigen zumeist keine Wirkung und kündigen deshalb eher an, dass vielmehr unschöne Auseinandersetzungen ins Parteihaus stehen könnten. Mit dem Ja der JU zur Urwahl ist dieses Thema nun quasi per Beschluss fest in der Debatte verankert, es wird die Parteitage von CDU und CSU beschäftigen und ist steter Quell für Spekulationen zu Kramp-Karrenbauer und ihren möglichen Kontrahenten. Wohl wieder keine guten Schlagzeilen. Mit dem Krieg der Türkei gegen die Kurden in Syrien ist der Verteidigungsministerin zudem eine zusätzliche große Herausforderung erwachsen.
Abschreiben darf man Kramp-Karrenbauer trotz vieler Fehler und der Fülle von zum Teil äußerst schwierigen Aufgaben aber wohl noch nicht, weder als CDU-Chefin noch als Kanzlerinkandidatin - den Platz an der Parteispitze hatte sie schließlich nicht im Lotto gewonnen, sondern als ziemlich erfolgreiche CDU-Politikerin. Sollte es ihr gelingen, zu altem Selbstbewusstsein zurückzukehren, die Patzerquote dramatisch zu senken, als Verteidigungsministerin eine gute Figur zu machen, souverän durch Urwahl- und Kandidatendiskussion zu kommen und schließlich noch in der Gunst befragter Wahlberechtigter zu steigen, sieht das vielleicht schon wieder ganz anders aus. Zugegeben, alles keine ganz leichten Herausforderungen.
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