Kein Ruhiges Hinterland

Internationalisten protestieren vor Berliner Bundeswehrbüro - für ganze Woche Blockaden und Demonstrationen in Dutzenden weiteren Städten geplant

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Alle Besatzer raus aus Kurdistan«, schallt es am Montagvormittag vor dem Bundeswehrbüro in der Berliner Friedrichstraße. Rund 50 Aktivisten haben den Eingang der Informations- und Rekrutierungsstelle blockiert. »Hände Weg von Rojava«, steht auf einem ihrer Transparente. Ein Soldat in Uniform versucht das Material den Demonstranten zu entreißen, gibt aber schnell wieder auf. Es ist die dritte Blockade an diesem Tag in der Hauptstadt. In den frühen Morgenstunden wurden auch Niederlassungen der Waffenschmieden Rheinmetall und Thyssenkrupp von Dutzenden Internationalisten blockiert. Der Grund: Der vergangene Woche begonnene türkische Angriffskrieg gegen das nordsyrische Rojava. »Die Bundeswehr macht Aufklärungsflüge in Syrien, mit denen dieser Krieg erst ermöglicht wird«, sagte ein Aktivist auf der Blockade. Nicht nur die Bundeswehr arbeite mit der türkischen Armee zusammen, auch die deutsche Rüstungsindustrie »morde« in Rojava mit. Nach rund einer Stunde ziehen die Demonstranten weiter. Am Nachmittag fand eine Kundgebung vor der US-Botschaft statt.

Die Kampagne »Rise up 4 Rojava« (Erhebt euch für Rojava) hat weltweit für die ganze Woche zu Protesten gegen den türkischen Angriffskrieg aufgerufen. In einem Kanal des Messengerdienstes Telegram mit über 4000 Teilnehmern werden die bundesweiten Aktionen bekanntgegeben. Alle »demokratischen, sozialistischen, feministischen Kräfte, die Friedens- und Ökologiebewegung und die autonome Linke«, sollen sich nun den Protesten anschließen, heißt es in einem Aufruf der Kampagne.

Für Montag standen Aktionen gegen deutsche Rüstungsunternehmen im Vordergrund. »Sie profitieren direkt von diesem Krieg, sie lieferten Waffen, die bereits während der völkerrechtswidrigen Besatzung des syrischen Kantons Afrin zum Einsatz kamen«, heißt es in dem Aufruf. In mehr als 35 Städten wurden zudem für Montagabend Demonstrationen und Kundgebungen angekündigt.

Für Mittwoch plant die Solidaritätskampagne »Besuche« bei Medienhäusern. Viele deutsche Medien seien nicht in der Lage, eine »wahrheitsgemäße Berichterstattung« über den Krieg zu garantieren. »Sie verharmlosen den Krieg, sie ignorieren lokale Quellen und verbreiten türkische Propaganda«, so die Urheber des Aufrufs.

Am Freitag wollen die Aktivisten die »kurdische Ökologiebewegung in Nordsyrien« und die Umweltbewegung in Deutschland zusammenbringen. Man habe »nicht nur gemeinsame Ziele, sondern auch gemeinsame Gegner«. Aktivisten und Schüler von »Fridays for Future« werden aufgerufen, vor oder in Büros, Verkaufsstätten oder Fabriken von Mercedes zu demonstrieren. Das Unternehmen sei nicht nur ein »notorischer Umweltsünder«, sondern produziere auch für die türkische Armee.

Eine europaweite Großdemonstration in Köln am Samstag soll die Protestwoche abschließen. Zehntausende Menschen werden erwartet. »Wir setzen auf eine kämpferische Stimmung und zivilen Ungehorsam«, so »Riseup 4 Rojava«.

Auch über die Ankündigungen der Kampagne hinaus finden derzeit zahlreiche spontane Proteste in ganz Deutschland sowie in weiteren Ländern statt. Bereits am Sonntagabend hatten Demonstranten im Hamburger Flughafen kurzzeitig protestiert. In Berlin trafen sich mehrere Dutzend Demonstranten am Abend in Kreuzberg. Ein türkischer Luftangriff auf einen zivilen Konvoi mit mindestens zehn Toten und mehreren Schwerverletzten hatte zu den kurzfristig organisierten Kundgebungen geführt. Auch aus Dutzenden weiteren Städten wurden Proteste gemeldet.

Angesichts der aufgeheizten Stimmung bleibt es möglicherweise nicht nur bei Demonstrationen und Aktionen des zivilen Ungehorsams. In der Nacht zu Freitag hatten Unbekannte in Berlin einen Wagen der türkischen Botschaft angezündet. Der Staatsschutz ermittelt.

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