Abschiebung gescheitert

Göttingen: Polizei bricht Versuch nach Widerstand von Angehörigen ab

  • Reimar Paul, Göttingen
  • Lesedauer: 3 Min.

Zersplitterte Türen, Rangeleien und Verletzte: In Göttingen ist die Abschiebung eines 18-Jährigen aus Kosovo am Widerstand von Angehörigen gescheitert. Unterstützer sprechen von einem äußerst gewaltsamen Vorgehen der Polizei. Diese ermittelt nun gegen Familienmitglieder wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Am Montagmorgen war die Polizei gegen 4.30 Uhr vor der Wohnung aufgetaucht, in der sie den jungen Mann vermutete. Dort lebt seit etwa 20 Jahren auch seine Familie. Nach Angaben des »Bündnisses gegen Abschiebungen« waren die etwa 20 Beamten »schwer bewaffnet« und vermummt. Statt zu klingeln, hätten sie sich »durch einen Rammbock« Zutritt verschafft. Im Internet kursierende Fotos zeigen zertrümmerte Türen.

Beamte wollen gewarnt haben

Nach Angaben einer Polizeisprecherin waren die Eingangstür und eine weitere Tür bereits von innen mit Gegenständen verbarrikadiert, als die Beamten die Wohnung betreten wollten. Auf mehrmalige laute Aufforderung zu öffnen und die anschließende Androhung einer zwangsweisen Öffnung sei keine Reaktion erfolgt. Erst dann hätten die Einsatzkräfte eine Ramme eingesetzt. »Durch die entstandenen Öffnungen sowie auch aus einem Fenster heraus kam es im Anschluss zu körperlichen Angriffen auf die davorstehenden Beamten«, erklärte die Sprecherin weiter. Der Einsatzleiter habe das Vorhaben schließlich aus »Gründen der Verhältnismäßigkeit« abgebrochen, »weil eine finale Durchsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer Vielzahl von Verletzten geführt hätte«.

Dagegen berichtet ein Angehöriger, die Bewohner seien durch Geräusche am Schloss aufgewacht. Weil man zunächst einen Einbruch vermutet habe, hätten Familienmitglieder die Türen verbarrikadiert und gerufen, jemand solle die Polizei holen. Die vermeintlichen Einbrecher hätten sich erst dann als Beamte zu erkennen gegeben. Ein Familienmitglied sagte dem »Göttinger Tageblatt«: »Das war ein Überfall, wir haben alle ein Trauma.« Beim Auframmen der Tür seien zwei Personen verletzt worden: Die Mutter des 18-Jährigen habe blaue Flecke, ein Bruder Prellungen erlitten. Die Beamten hätten gefragt, ob ein Krankenwagen benötigt werde. Die Familie habe das bejaht, es sei aber keine Ambulanz gekommen. Auch das stellt die Polizei anders dar: Demnach wurde angebotene medizinische Hilfe abgelehnt.

»Systematische Entrechtung«

Die Polizei betont die Rechtmäßigkeit des Einsatzes: Grundlage seien eine rechtskräftige Abschiebeverfügung der Stadt Göttingen und ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes gewesen. Das Göttinger Bündnis gegen Abschiebungen kritisiert das Vorgehen dennoch als »völlig unverhältnismäßig«. Ein Bündnissprecher beklagte auf einer kurzfristig angesetzten Protestkundgebung vor dem Göttinger Rathaus die »systematische Entrechtung geflüchteter Menschen«. In den vergangenen Jahren haben Unterstützer von Flüchtlingen in Göttingen immer wieder Abschiebungen durch Blockaden ver- oder behindert. Die Polizei ging vielfach brutal mit Schlagstöcken, Hunden und Pfefferspray gegen sie vor.

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