Skandal folgt Skandal

Kontrollen und Überwachung von Lebensmitteln bleiben lückenhaft

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Erinnern Sie sich an Ehec-Sprossen? An Fipronil oder Dioxin in Hühnereiern? An Pferdefleisch in der Lasagne? Trotz unterschiedlich dramatischer Auswirkungen ist diesen Beispielen gemein: Einmal an der Öffentlichkeit, verunsichern sie Verbraucher*innen und lösen in den zuständigen Behörden und Ministerien mehr oder weniger hektische Betriebsamkeit aus.

So ist es auch im aktuellen Listerienfall beim hessischen Wurstfabrikanten Wilke und beim kürzlichen Rückruf nach Bakterienbefall fettarmer Milch der Unternehmen Deutsche Milchkontor und Fude+Serrahn. Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) etwa hat ihre Landeskolleg*innen in zwei Wochen zu einem Gespräch über Schwachstellen und Verbesserungsmöglichkeiten in der Lebensmittelkontrolle eingeladen. Geklärt werden soll, wie ausreichend Personal für die Lebensmittelkontrolle bereitgestellt werden kann. Zudem sollen Informationen besser und schneller koordiniert sowie Verstöße konsequenter verfolgt werden.

Auf offene Ohren trifft Klöckner damit beim Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure. »Wir plädieren für mehr Personal, um die amtliche Lebensmittelüberwachung effektiv und flächendeckend durchführen zu können«, sagte Maik Maschke, stellvertretender Bundesvorsitzender des Verbandes, der Nachrichtenagentur dpa. Die Kontrollzahlen seien zuletzt jedes Jahr gesunken. »Wir haben voriges Jahr knapp 42 Prozent aller registrierten Betriebe kontrollieren können«, so Maschke.

Verbraucherorganisationen argumentieren dagegen, mehr Kontrollen allein reichten nicht aus, um grundlegend strukturelle Lücken zu schließen. »Wer einfach nur mehr Kontrollen fordert, stellt sich dümmer als er ist«, sagt Martin Rücker, Geschäftsführer von Foodwatch Deutschland in Richtung Klöckner, die am Wochenende auf die Zuständigkeit ihrer Länderkolleg*innen verwiesen hatte: »Ich lege Wert darauf, wenn die Länder stets ihre Zuständigkeit hier betonen, dass sie ihrer Verantwortung auch mit ausreichend Personal für diese Aufgabe gerecht werden.«

Verbraucherorganisationen fordern stattdessen eine substanzielle Reform des Lebensmittelrechts, die auch Maßnahmen des Bundes einschließe. So müsse die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln - eine zen-trale Vorgabe aus Brüssel - endlich durchgesetzt werden. »Im Fall Wilke können die Behörden bis zum heutigen Tag nicht sagen, wo genau die vom Rückruf betroffenen Produkte abgegeben oder weiterverarbeitet worden sind«, heißt es in einer Analyse, die Foodwatch am Dienstag in Berlin vorstellte. Zudem müssten der Handel und andere Abgabestellen verpflichtet werden, Lebensmittelwarnungen an ihre Kunden weiterzugeben. Bisher ist bei Rückrufaktionen vor allem der Hersteller in der Pflicht. Der informiert etwa die belieferten Supermärkte, die jedoch die Informationen nicht weitergeben müssen. Da wolle niemand den ersten Schritt machen, so Rückert, aus Angst, beim Kunden könnte ein negatives Bild entstehen, wenn ein Handelsunternehmen regelmäßig informiere und ein anderes nicht.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) kritisiert, die Strukturen der Lebensmittelüberwachung reichten nicht aus, »um Missstände zeitnah zu beheben«. Der Verband fordert, dass die Zuständigkeit für die Überwachung nicht mehr bei den Kommunen, sondern bei den Ländern liegen sollte. Aktuell sind mehr als 400 Kommunen zuständig, allein bei den Ländern gibt es 16 unterschiedliche Verfahren. »Die kommunale Lebensmittelüberwachung ist bei komplexen Lieferketten nicht mehr zeitgemäß«, heißt es beim vzbv. Zudem sollte im Krisenfall der Bund die Koordinierung und Verantwortung übernehmen.

Dies sind Empfehlungen, die der Bundesrechnungshof bereits 2012 ausgesprochen hat, damals an Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU), in deren Amtszeit mehrere Lebensmittelskandale fielen. Die »miteinander verflochtenen Zuständigkeiten von Bund und Land« sollten laut Bundesrechnungshof aufgelöst und dem Bund allein zugeschrieben werden. Außerdem wurde die Einrichtung eines nationalen Qualitäts- und Krisenmanagements gefordert sowie die Etablierung eines Systems, das eine lückenlose Rückverfolgung von Lebensmitteln sichert.

Passiert ist seither wenig. Die von Aigner ins Leben gerufene Institution eines Krisenrates geriet in Vergessenheit, eine Sonderkonferenz der Ministerien für Verbraucherschutz und Landwirtschaft verabschiedete 2011 eine gemeinsame Erklärung für mehr Transparenz und bessere Überwachung. Aus der Hand nehmen lassen wollten sich die Länder die Lebensmittelüberwachung aber nicht.

Vzbv-Vorstand Klaus Müller fordert dennoch eine Konferenz der Verbraucherschutzminister, in der die alten Empfehlungen des Bundesrechnungshofes einbezogen werden. »Viele Verbesserungsvorschläge sind unverändert richtig«, so Müller.

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