Bürger bleiben Statisten

Die Bundesregierung hat kein Interesse an mehr Bürgerbeteiligung - das zeigt das Nichthandeln zum Thema

Wie die Bundesregierung ihr erklärtes Ziel, Bürger stärker direkt an Entscheidungsprozessen zu beteiligen, umsetzt, wollte die Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer (LINKE) wissen. Die Antwort ist ernüchternd.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom Frühjahr 2018 heißt es: »Wir werden eine Expertenkommission einsetzen, die Vorschläge erarbeiten soll, ob und in welcher Form unsere bewährte parlamentarisch-repräsentative Demokratie durch weitere Elemente der Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie ergänzt werden kann. Zudem sollen Vorschläge zur Stärkung demokratischer Prozesse erarbeitet werden.«

Passiert ist seither faktisch nichts. Die »nd« vorliegende Antwort des Bundesinnenministeriums auf die Anfrage Sommers, wie weit sie mit der Umsetzung der Pläne sei, besteht aus einem lapidaren Satz: »Die Überlegungen der Bundesregierung sind noch nicht abgeschlossen.« Bereits im Februar hatte Horst Seehofers Ressort der Grünen-Fraktion auf eine Anfrage hin mitgeteilt, die »Vorbereitungen« zur Bildung der Expertenkommission seien »noch nicht abgeschlossen«.

Im August 2018 hatte sich das Innenministerium auf eine Anfrage von LINKE-Abgeordneten zum Thema noch einige Worte mehr abgerungen. Man habe mit den »notwendigen organisatorischen und inhaltlichen Vorarbeiten zur Einsetzung der Expertenkommission begonnen«. Dabei seien »viele Aspekte« zu berücksichtigen. Sobald die Vorbereitungen abgeschlossen seien, werde der Bundestag »angemessen beteiligt«.

Für die Abgeordnete Sommer sind die dürftigen Einlassungen »mehr als beschämend«. Die Bundesregierung habe offenbar kein Interesse »Bürgerinnen und Bürger auch auf Bundesebene an Entscheidungen direkt zu beteiligen«, erklärte sie gegenüber »nd«.

Dabei hat der Unterausschuss »Bürgerschaftliches Engagement« des Familienausschusses des Bundestages bereits im September 2018 detaillierte Empfehlungen zur Einberufung und zu den Aufgaben der Kommission vorgelegt und zugleich auf die sich verfestigende »Distanz und Abkehr von bestehenden politischen Institutionen« in einigen Bevölkerungsgruppen und die aus dem Frust über mangelnde Vertretung ihrer Interessen resultierende sinkende Wahlbeteiligung, wie auch das Erstarken rechtspopulistischer Kräfte verwiesen. Angesichts der Dringlichkeit der Aufgabe wirkt das Nichthandeln der Regierung mindestens fahrlässig.

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