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Gefährliche Leidenschaft
Andreas Koristka über ein schlimmes Untergrund-Hobby, das zur Verrohung der Gesellschaft beiträgt
Horst Seehofer hat nach dem rechten Terroranschlag in Halle sofort reagiert. Nachdem die Besucher einer Synagoge nur durch Glück überlebten, sprach sich der Innenminister dafür aus, die »Gamer-Szene« genauer beobachten zu lassen. Dieser Schritt ist überfällig. Nicht erst seit gestern spielen Millionen Deutsche Computerspiele und radikalisieren sich bei Quizduell, Candy Crush und dem Landwirtschaftssimulator 2019. Mittlerweile ist der Anteil von überzeugten Nazis unter Gamern fast genauso hoch wie im restlichen Teil der Bevölkerung. Das ist eine Schande!
Gut also, dass sich Seehofer endlich der Sache annimmt. Er sollte dabei aber nicht vergessen, dass es noch andere Hobbys gibt, die zur Verrohung unserer Gesellschaft beitragen. Die schlimmste und gemeinste dieser Beschäftigungen ist der Modelleisenbahnbau. Über ihn wird kaum besprochen. Denn es ist schwierig, an Modellbahner überhaupt heranzukommen. Sie leben im Untergrund, in eigens eingerichteten Modellbahnkellern, wo es nach Kaffeeatem und ungewaschenen Socken riecht. Es sind Orte des Schreckens, an denen erwachsene Männer Bahnermützen tragen. Wer schon einmal Schnurrbarthaare zärtlich über die Märklin 55752 Tenderlokomotive der Spurgröße 1 streichen sah, wird dieses Bild sein Leben lang nicht aus dem Kopf bekommen.
Wenige wissen genau, was hinter den verschlossenen Türen vor sich geht. Aber der Innenminister tut es. Er ist selbst Teil der Gemeinschaft und er scheint der Hemmschuh zu sein, der sie vor rechtlicher Verfolgung schützt. Dabei weiß Horst Seehofer genau, dass die Klebstoffdämpfe hinter verschlossenen Türen die Zunge lockern. Dann fallen rohe Bemerkungen über die Kanzlerin, während der von zwei Achsen angetriebene ICE-II-Triebkopf mit Digital-Decoder und seriell schaltbaren Geräuschfunktionen immer und immer wieder gegen das kleine Merkelfigürchen rast, das mit Garn auf die Schiene gebunden wurde - und zwar so lange, bis Frau Seehofer zum Abendessen ruft.
Einst ging die Psychotherapie davon aus, dass Modelleisenbahnen vor allem für jene Männer interessant sind, die in ihrer Kindheit ihre Erektionen dem wohligen Ruckeln unterm Po in der Eisenbahn zu verdanken hatten. Heute weiß man, dass diese Einschätzung Quatsch mit Sauce aus dem Speisewagen ist. Die Bastler sind von nichts anderem angetrieben als von ihrer eigenen Boshaftigkeit. Es sind finstere Zeitgenossen, heimtückische Gesellen, die von Grund auf schlecht, roh und verdorben sind. Sie üben sich im Geheimen im Umgang mit dem Abfahrstab, um ihn eines Tages gegen ihre unbahnigen Mitmenschen als Waffe einsetzen zu können. Ihr unumstößliches Ziel ist die Abschaffung des freiheitlich demokratischen Rechtsstaats und seine Wiedererrichtung im Maßstab 1:87.
Aber was kann man gegen solche Subjekte unternehmen? Ein erster Schritt könnte eine flächendeckende Videoüberwachung über allen Modellbahnen der Republik sein. Außerdem sollten Veranstaltungen stärker von der Polizei kontrolliert werden, die die Szene zur Vernetzung und Rekrutierung nutzt (sogenannte Modellbaumessen). Die Brio-Holzeisenbahn, die sich an ein besonders junges Publikum richtet und die Einstiegsdroge in die perverse Welt der Modellbauer darstellt, sollte gänzlich verboten, das Zeigen des Abfahrtsignals konsequent verfolgt werden.
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Erst, wenn alle diese Maßnahmen umgesetzt wurden, können wir wieder guten Gewissens in unserem Deutschland leben. Denn der Kampf gegen den Modellbahnbau ist oberste Verpflichtung, die aus unserer deutschen Geschichte und ihren monströsen Verwerfungen folgt. Denn eines ist sicher: Es darf nie wieder ein Trafo auf deutschem Boden angestellt werden. Denn erst wenn die Modellbauszene gänzlich zerstört wurde und ihre führenden Köpfe ihrer gerechten Strafe in ihren Gefängnissen entgegensehen, werden Juden wieder friedlich in Deutschland leben können.
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