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Weltpolitik per Interview
Die CDU-Chefin und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt eine »international kontrollierte Sicherheitszone« für Nordsyrien vor
An diesem Mittwoch macht die Verteidigungsministerin ihren Antrittsbesuch bei der Streitkräftebasis. In der Erfurter Henne-Kaserne wird man ihr allerlei zeigen, was nützlich ist, will man irgendwo in der Welt eine militärische Sicherheitszone einrichten. Doch will Annegret Kramp-Karrenbauer das überhaupt?
»Mein Vorschlag ist«, so sagte die CDU-Chefin der Deutschen Welle am Montagabend, »dass wir eine international kontrollierte Sicherheitszone unter Einbeziehung der Türkei und unter Einbeziehung von Russland einrichten«. Die solle dazu dienen, die Lage zu deeskalieren, den Kampf gegen den Terrorismus fortzusetzen und ein stabiles Umfeld für den zivilen Aufbau und die Fortsetzung des Verfassungsprozesses zu sichern. Die fürs Militär zuständige Ministerin will »auf Dauer Strukturen schaffen, die eine Rückkehr der Flüchtlinge möglich machen« und eine Lösung finden, »die für Stabilität und Sicherheit in der Region steht«. All das ist dringend, wer wollte da widersprechen?
Doch so simpel ist das nicht. Schon gar nicht, wenn man diese Ziele so präsentiert, wie Kramp-Karrenbauer es tat. Obwohl die Haltung zum Krieg in Nordsyrien erst am Abend zuvor Thema im Koalitionsrat von Union und SPD gewesen war, überraschte die Ministerin die Öffentlichkeit ebenso wie Außenminister Heiko Maas mit ihrer Idee. Den Kabinettskollegen von der SPD habe sie per SMS über ihr Vorhaben und darüber, dass sie dafür den Segen der Kanzlerin habe, teilte »AKK« gegenüber der Presse mit. Es gab Zeiten, da existierten den Aufgaben angemessene inhaltliche Kontakte zwischen Bendler-Block und Auswärtigem Amt.
Kramp-Karrenbauer wirbt angeblich um die Unterstützung aller beteiligten Konfliktparteien in der umkämpften Region. Man wolle mit Frankreich, Großbritannien und den USA über eine Lösung für Nordsyrien beraten. Allein die Gespräche mit Washington sind kompliziert. Und will Kramp-Karrenbauer der Türkei klarmachen, dass deren Armee die von Ankara beanspruchte und bereits teilweise besetzte Pufferzone wider die als Terrortruppe qualifizierte kurdische YPG nicht dauerhaft beanspruchen kann? Es hat immerhin ganze elf Tage gebraucht, bis die deutsche Regierung in dem Überfall überhaupt einen Völkerrechtsbruch entdecken konnte. Nicht minder schwierig wird es, mit den USA Einvernehmen herzustellen.
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Am Donnerstag und am Freitag bestehe beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister die Möglichkeit, darüber zu reden, sagt die Ministerin. Abgesehen davon, dass man potenzielle Verbündete nicht derart plump und per Medieninterview überfährt, kann »AKK« noch nicht einmal sagen, auf Basis welches Systems kollektiver Sicherheit, das laut Grundgesetz Voraussetzung für einen Bundeswehreinsatz ist, sie agieren will. Nur Stunden, bevor die Ministerin Floskeln in Mikrofone sprach, hatte ihr Parteifreund Roderich Kiesewetter eine von EU-Truppen gesicherte Zone mit UN-Mandat ins Gespräch gebracht. Planen, führen und unterstützen könnte so einen Einsatz nur die NATO. Doch das reicht als politische Basis keinesfalls.
Nützlich wäre es gewesen, wenn die deutsche Seite vorab mal in Moskau vorgefühlt hätte, wie die Schutzmacht von Syriens Staatschef Baschar al-Assad auf die Überlegungen aus Berlin reagiert. Völlig absurd ist, dass das völkerrechtlich souveräne Syrien in die Gedankenspiele der Ministerin überhaupt nicht einbezogen wird. Und dann ist da noch die Frage, welche Aufgaben die Bundeswehr in der Schutzzone, die in Medienberichten allzu oft mit einer Sicherheitszone verwechselt wird, übernimmt.
Seltsamerweise zog sich Kramp-Karrenbauer bei Nachfragen zum deutschen Beitrag darauf zurück, dass die Entscheidung über einen Bundeswehreinsatz Parlamentssache ist. Stimmt. Doch das entscheidet auf Basis eines Mandatsentwurfes aus dem Kabinett. Offenkundig hat die Regierung aber nicht einmal den Hauch einer Ahnung, was man aufbieten will - und kann. So »billig« wie bisher mit ein paar Ausbildern und einer Kette Tornado-Aufklärern, die man gegen den IS aufgeboten hat, würde man in Nordsyrien nicht davonkommen.
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