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Gendern - gerne, aber wie?
Ein Ritt durch die feministische Sprachgeschichte und praktische Tipps von der Linguistin Luise F. Pusch
Dass mit unserer Sprache etwas faul ist, dämmerte uns schon in den 1970er Jahren. Wir Frauen waren es leid, immer bloß »mitgemeint« zu sein. Wir wollten angesprochen werden: »Liebe Wählerinnen und Wähler«. Das Wort »Fräulein« wollten wir abschaffen und »man« durch »frau« ersetzen. Wir wollten eine geschlechtergerechte Sprache, kurz: gendern.
Daraufhin entwickelte ich die DNA-Methode, mit deren Hilfe ich zahllosen Angestellten von Stadtverwaltungen beibrachte, wie sie Richtlinien gegen sexistischen Sprachgebrauch umsetzen können. »D« steht dabei für Doppelform und bedeutet, beide Geschlechter zu nennen, etwa »Leserinnen und Leser«. »N« heißt Neutralisierung und wir erreichen sie, indem wir »Studierende« statt nur »Studenten« sagen. Auch das Wort »Geflüchtete« ist neutral im Vergleich zu »Flüchtling«. Für Maskulina, die auf -ling enden, gibt es generell keine feminine Form. Und »A« ist die Abkürzung für Abstraktion. Statt »Regisseur: Doris Dörrie« heißt es nun stimmiger »Regie: Doris Dörrie«.
Leider findet sich nicht immer eine passende neutrale oder abstrakte Ersatzform. Zugleich sind Doppelformen schwerfällig. Also mussten Abkürzungen her. Aus der Linguistik wurden Sparschreibungen übernommen wie »Leser(innen)«, »Leser-innen« oder »Leser/innen«. Sie haben den Nachteil, dass sie das Femininum als optional oder als zweite Wahl erscheinen lassen, weil es durch ein weglassbares Anhängsel am Ende des Wortes symbolisiert wird.
Auf den Vorwurf, die Doppelform sei zu lang und würde sich nie durchsetzen, reagierten Radikalfeministinnen mit dem generischen Femininum. Ihre Begründung: »Es ist tatsächlich zu lästig, die Männer immer mit zu erwähnen. Dann benutzen wir Frauen eben das Femininum, und ihr Männer seid herzlich mitgemeint.«
Nach allerlei Gerangel setzte sich schließlich das »Binnen-I« durch, erfunden von Christoph Busch, einem Schweizer Journalisten. Es ist nicht so schön wie das generische Femininum, kommt ihm aber doch optisch sehr nahe.
Mit der Queer Theory ab den 1990er Jahren erhob sich Kritik am binären Geschlechterdenken, das nur Frauen und Männer kennt. Was ist mit Intersexuellen? Zunehmend outeten sich auch Menschen, die weder dem einen noch dem anderen Geschlecht zugeordnet werden wollen. Für sie war weder die alte Männersprache passend noch die neue frauenfreundliche Sprache.
Im Jahre 2003 schlug Steffen Kitty Herrmann, ein Transgender-Aktivist, dann den Unterstrich vor: »Leser_innen«. Der sollte einen Raum für alle anderen Geschlechter symbolisieren. Er ist inzwischen wieder aus der Mode und hat dem Gendersternchen Platz gemacht: »Leser*innen«. Das stammt aus der Computersprache, wo es bei Suchanfragen oft als Platzhalter eingesetzt wird: Wer »Leser*« eingibt, findet auch »Leserin«, »Leserinnen« oder »Leserumfrage«.
Beim Gendersternchen gibt es jedoch dasselbe Problem wie bei den oben angeführten Sparschreibungen: Es zerreißt die Wörter in drei Teile: Maskulinum -Genderstern - weibliche Endung. Dasselbe gilt für Schreibweisen mit Doppelpunkt, wie bei »Leser:innen«. Denn dadurch wird die optische Nähe zum generischen Femininum zerstört. Männer bekommen den Wortstamm und somit den ersten Platz, Transgender-Personen bekommen den zweiten Platz, Frauen wird mit der Wortendung der letzte Platz zugewiesen. Das ist für Frauen nicht akzeptabel.
Deshalb habe ich schon 2014 einen Kompromiss-Vorschlag gemacht: das große »I« und den Genderstern zu fusionieren, indem das Sternchen an die Stelle des i-Tüpfelchens tritt. Diese Idee ist erst in den letzten Monaten populär geworden.
Da sich das »i« mit Sternchen bisher nur handschriftlich realisieren lässt, gibt es für Tastaturen diverse Ersatzvorschläge, zum Beispiel: das Ausrufezeichen: »Leser!nnen«, das Trema: »Leserïnnen«, den Circumflex: »Leserînnen«, die Eins: »Leser1nnen« und das Fragezeichen: »Leser?nnen«. Im Singular funktioniert es ebenfalls: »Wer wird Millionärîn?«.
Wichtig ist, dass der feminine Gesamteindruck bleibt. Das gelingt nur, wenn nichts zwischen den Stamm und die Endung gezwängt wird. Bis das kleine i mit Sternchen auf unseren Tastaturen erscheint, wählen Sie eine der obigen fünf Schreibweisen und Sie sind beim Gendern auf der sicheren Seite. Dabei dürfen sich alle Geschlechter mitgemeint fühlen.
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