• Politik
  • Kompromiss bei Grundrente

Ein paar Euro mehr für arme Rentner

Im Streit um die Grundrente zeichnet sich eine Einigung ab. Eine »Bedürftigkeitsprüfung light« ist im Gespräch

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Viele haben sich in Deutschland schon an der Grundrente versucht. Die erste war ausgerechnet die konservative Sozialministerin Ursula von der Leyen, danach haben ihre zwei sozialdemokratischen Nachfolger*innen, Andrea Nahles und Hubertus Heil, sich des Themas angenommen. Nun könnte eine Einigung greifbar sein - und zumindest gewisse Verbesserungen für Minirentner*innen. Erste Details zum Inhalt einer möglichen Einigung kursieren.

Eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe der Koalition zu dem Thema hatte sich am Mittwoch erneut ohne Ergebnisse vertragt. Die Teilnehmer der Debatte zeigten sich allerdings vorsichtig optimistisch: »Wir bewegen uns aufeinander zu«, sagte Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Mitglied der Renten-AG vor dem Treffen der Deutschen-Presse-Agentur in Berlin. »Es waren konstruktive Gespräche«, hieß es von anderer Seite danach. Nun soll am Donnerstag kommender Woche weiterverhandelt werden. Vor der für die SPD und Union heiklen Wahl in Thüringen am Sonntag wird es also keine Entscheidung geben.

Derzeit sieht es so aus, als könnten sich die Koalitionäre auf eine »Bedürftigkeitsprüfung light« einigen könnten. Statt Einkommen und Vermögen zu prüfen, könnte es demnach nur eine Einkommensprüfung geben, die vom Finanzamt übernommen werden soll, heißt es in informierten Kreisen. Die Einkommensgrenze, die neben der Rente auch mögliche Betriebs- oder Riester-Rente miteinbezieht, solle bei etwa 1100 bis 1200 Euro liegen, berichtet der »Tagesspiegel«. Bei Ehepaaren soll dieser Betrag entsprechend höher liegen. Damit soll wohl die Grundrente für die »Millionärsgattin mit Niedrigrente« verhindert werden, vor der Konservative und Liberale mantra-artig warnen. Dass diese allerdings nicht allzu oft vorkommt, zeigen erste Berechnungen. Der »Tagespiegel« schätzt, dass auch mit der Einkommensprüfung immer noch zwei Millionen Menschen Grundrente bekämen. Andere gehen von 2,5 Millionen Anspruchsberechtigten aus. Hubertus Heils ursprünglicher Vorschlag ohne Prüfung war auf rund drei Millionen Berechtigte gekommen.

Wie das »nd« aus informierten Quellen erfuhr, sollen denjenigen, die über die Einkommensgrenze kommen, 12,5 Prozentpunkte bei der Berechnung abgezogen werden. Der rentenpolitische Sprecher der LINKEN im Bundestag, Matthias W. Birkwald, kritisierte das: » Es wäre ein Irrsinn, den Grundrentenzuschlag unten am stärksten zu kürzen. Denn gerade Menschen mit niedrigen Renten brauchen jeden Cent!«

Dass es bisher noch zu keiner Einigung gekommen ist, ist keine Überraschung: Die Union hatte stets auf eine Grundrente mit Bedürftigkeitsprüfung gepocht. Das meint, dass auch Vermögen und Einkommen beispielsweise des Ehepartners berücksichtigt werden sollten. Die Sichtweise: Es sei unfair, wenn Minirenten nach 35 Jahren Beitragszeiten um wenige Euro aufgestockt werden, falls man doch andere Einkommensquellen habe. Kanzlerin Merkel hatte Anfang des Jahres gesagt: »Ich bin der Meinung, dass eine sogenannte «Respekt-Rente» ohne Bedürftigkeitsprüfung nicht richtig wäre.« Auch im Koalitionsvertrag ist eine Prüfung vorgesehen.

Arbeitsminister Heil hat die Erwartungen an die Grundrente selbst hoch geschraubt: »Es geht um den Kampf gegen Altersarmut«, hatte Heil bei der Vorstellung seines Gesetzesentwurfes im Mai erklärt. Die Grundrente sei für Menschen, »die ein Leben lang gearbeitet haben und die wegen viel zu niedriger Löhne in der Grundsicherung gelandet sind«, so Heil damals. Wer mehr als 35 Jahre Beiträge in die Rentenkasse gezahlt hat oder Pflege- und Erziehungszeiten aufweist, solle mit der Umstellung auf die Grundrente hingegen künftig nicht mehr zum Sozialamt müssen. Stattdessen würde ihnen, so der ursprüngliche Plan von Heil, automatisch die Rente auf wenige Euro überhalb des Sozialhilfenniveaus aufgestockt werden. Das Grundsicherungsniveau entspricht dem Hartz-IV-Satz und liegt derzeit bei 424 Euro, dazu kommen Zuschüsse zu den Mietkosten. Insgesamt erhalten arme Rentner*innen derzeit im Schnitt 808 Euro.

Nach Heils Plan würde beispielsweise eine Person, die 35 Jahre lang Beiträge gezahlt hat und eigentlich eine Rente von 462,70 Euro erhalten würde, stattdessen auf eine Rente von 822,68 Euro netto kommen. Das wären zwar nur wenige Euro mehr als im Grundsicherungsbezug, würde der Person aber den Gang zum Sozialamt ersparen. In anderen Ländern wie den Niederlanden oder Österreich ist eine Hochwertung niedriger Renten gängige Praxis.

Der rentenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Markus Kurth, drängte gegenüber »neues deutschland« auf eine schnelle Einigung: »Im Wettbewerb um die größte politische Hängepartie eifert die GroKo den britischen Brexit-Strategen nach. Seit Monaten stehen sich Union und SPD wie zwei ermüdete Boxer im Ring gegenüber. Die gegenseitigen Tiefschläge müssen bald enden, damit schnellstmöglich ein Gesetz auf den Weg gebracht wird«, sagte Kurth.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.