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Maut auf Abwegen
Bundestag soll Vorwürfe gegen Minister Scheuer in einem Ausschuss untersuchen
Als die »Ausländer-Maut« das Licht der Welt erblickte, lag deren rechtliche Fragwürdigkeit schon auf der Hand. Die als Wahlkampfthema von der CSU erdachte Infrastrukturabgabe, wie die Maut korrekt heißt, sollte ausländische Pkw-Fahrer für die Nutzung deutscher Autobahnen zur Kasse bitten, nicht aber inländische Autofahrer, die über die Kfz-Steuer von den Aufwendungen nachträglich befreit werden sollten. Kein Wunder, dass die Idee zunächst Lob von der AfD erfuhr, die inzwischen allerdings auch einen Untersuchungsausschuss will.
Am Freitag nun wird der Bundestag erstmals konkret über die Einsetzung eines solchen Ausschusses diskutieren. Im Antrag der Oppositionsfraktionen FDP, LINKE und Grüne geht es aber nicht um die absurde Rechtskonstruktion der Pkw-Maut nur für Ausländer. Sie ist seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EUGH) als irregulär endgültig beerdigt. Im Antrag der drei Fraktionen geht es um die Folgen, die das Vorgehen des Bundesverkehrsministeriums für den Staatshaushalt hatte und ob im Verfahren alles mit rechten Dingen zuging. So sehen die beteiligten Fraktionen die Rechte des Parlaments unter trickreicher Anwendung illegaler Methoden beschnitten und auch das Vergaberecht bei der Beauftragung von Firmen zur Umsetzung der Maut verletzt.
Denn die CSU, die schon in der letzten Legislaturperiode das Verkehrsministerium unter ihrer Obhut hatte, verfolgte ihre »Bierzeltidee«, wie der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Stephan Kühn, das Projekt tituliert, von Anfang an mit Brachialgewalt. So wurde die Maut 2013 in den Koalitionsvertrag aufgenommen, obwohl die Bundeskanzlerin selbst verkündet hatte: »Mit mir wird es keine Maut geben.« Auch die EU, die ihre Bedenken gegen die Maut nach zweierlei Maß früh deutlich gemacht hatte, wurde in intensiven Verhandlungen überzeugt, bis eine Klage von Österreich (unterstützt von den Niederlanden) den letzten Widerstand bildete, den der aktuelle Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer auch nicht mehr wirklich ernst zu nehmen schien. Scheuer sorgte weiter für Tempo und wartete bei der Vergabe des Auftrags nicht das ausstehende Urteil des EUGH ab.
So kam es zur Unterschrift unter die ausgehandelten Verträge im Dezember 2018 - vor der Stellungnahme des Generalanwalts des EUGH im Februar wie auch des EUGH-Urteils am 18. Juni. Scheuer soll nicht nur ein Angebot der Betreiberfirma Eventim zurückgewiesen haben, mit der Unterschrift bis nach dem Urteil zu warten. Er soll darüber hinaus die Betreiberfirmen gebeten haben, die unnötige Eile danach auf ihre Kappe zu nehmen.
Nachdem das Urteil gesprochen und die Maut damit kläglich gescheitert war, kündigte Scheuer zwar die Verträge, den Vertragspartnern dürften nun aber Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe zustehen. Er habe sie ihnen voreilig zugestanden, kautet der Vorwurf. Das hindert den Minister allerdings nicht daran, unverdrossen seine Position zu verteidigen und jede Kritik zurückzuweisen. Er schiebt den Betreiberfirmen den schwarzen Peter zu und wehrt sich gegen den Vorwurf des zweifelhaften Mautvorhabens mit der Gegenklage, der Bundestag habe ihn ja zu dem Projekt beauftragt.
Dabei kommen immer neue Details ans Licht, die sein Vorgehen zunehmend fragwürdig erscheinen lassen. So hatte ihm der Bundestag rund zwei Milliarden Euro für die Maut-Einführung zugebilligt. Weil die Betreiberfirmen aber Kosten von drei Milliarden geltend machten, holte Scheuer mit der bundeseigenen Firma Toll Collect einen dritten Partner ins Boot. Die bereits mit der Erhebung der Lkw-Maut betraute Firma verfügt über Know how und die notwendigen technischen Anlagen und sollte einen Teil der Aufgaben übernehmen - für weniger Geld. Das ursprünglich allein mit der Abwicklung betraute Konsortium autoTicket begnügte sich also mit zwei Milliarden, die Leistungen von Toll Collect hätten mit Steuermitteln nachträglich vergütet werden sollen, so lautet der Verdacht, dem der Untersuchungsausschuss nun nachgehen soll.
Stephan Kühn sowie die Verkehrspolitiker der FDP und der LINKEN, Oliver Luksic und Jörg Cezanne, sprachen am Donnerstag vor der Presse in Berlin von Indizien für versteckte Kosten, die am Bundestag vorbei ausgehandelt wurden, Geheimverhandlungen und -treffen, in denen nicht Protokoll geführt wurde. Fragwürdig ist auch die Rolle des mit der Maut befassten Staatssekretärs Gerhard Schulz, der inzwischen zu Toll Collect gewechselt ist. Seit dem 1. September 2018 amtiert er dort als Aufsichtsratschef.
Der Ausschuss, über den der Bundestag am Freitag erstmals berät, soll Ende November seine Arbeit aufnehmen, wenn es nach den Antragstellern geht. Zunächst wird der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung sich mit den Details seiner Einsetzung befassen.
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