Rechte »Wahlhelfer«

Landgericht Berlin verbietet die Verbreitung einer AfD-nahen Gratiszeitung im Thüringer Wahlkampf

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Es gibt gute Gründe, die Landtagswahl in Thüringen zu einer Volksabstimmung zu machen«, heißt es provozierend im Vorwort der Gratiszeitung »Der Wahlhelfer«. Das 16-seitige Magazin sollte nach Angaben der verantwortlichen »Vereinigung der freien Medien« in den Wochen vor der Landtagswahl in einer Auflage von einer halben Million Exemplare im Freistaat verteilt werden. Ob tatsächlich Hunderttausende Thüringer das Magazin in die Hände bekamen, ist unklar. Sicher ist dagegen, dass die Verteilung letzten Freitag mitten im Endspurt vor dem Urnengang ein abruptes Ende nahm. Das Landgericht Berlin erließ eine einstweilige Verfügung, wonach »Der Wahlhelfer« nicht weiter verbreitet werden darf. Grund dafür ist ein Antrag des Jenaer Soziologen Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft.

Teil des Magazins ist eine Besprechung von Quents aktuellem Buch »Deutschland rechts außen« durch Vera Lengsfeld. Die Ex-Bürgerrechtlerin arbeitet sich in ihrer Rezension nicht nur an der Arbeit des Forschers, sondern an der gesellschaftlichen Linken insgesamt ab. An einer Stelle ihrer Rezension behauptet Lengsfeld, Quent habe in seinem Buch die unbelegte Behauptung aufgestellt, der rechtsextreme Attentäter David S. habe sich zur AfD bekannt.

Doch das stimmt nicht. Der damals 18-jährige S. hatte, bevor er am 2. Juli 2016 in einem Münchner Einkaufszentrum neun Menschen ermordete, Sympathien für die AfD erkennen lassen. Quent hatte die Belege 2017 in einem Gutachten für die Stadt München über den Rechtsterroristen zusammengetragen. Der Jenaer Forscher zog gegen Lengsfeld und den »Wahlhelfer« vor Gericht und erwirkte eine einstweilige Verfügung.

»Leider dauerte der Gerichtsbeschluss trotz der offenkundigen Dringlichkeit länger als gehofft. Auch davon unabhängig ist die rechte Postille, die letztlich in Thüringen Wahlkampf für die AfD betreibt, fragwürdig«, kommentierte Quent am Freitag die Entscheidung via Twitter. Dass »Der Wahlhelfer« eine Wahlkampfhilfe für die AfD sei, streiten die Verantwortlichen ab.

Laut Impressum ist neben Lengsfeld eine weitere Person, die unter dem Pseudonym Hanno Vollenweider auftritt, für die Gratiszeitung verantwortlich. Um wem es sich dabei tatsächlich handelt, ist unklar. Kurios aber ist: Im Februar 2017 trat der Unbekannte unter dem Namen Vollenweider anonymisiert für ein Interview mit dem deutschen Ableger des umstrittenen russischen TV-Senders »Russia Today« in der Sendung »Der fehlende Part« auf. In dem Beitrag wird der Mann als Whistleblower vorgestellt, der hinter die Fassade des Finanzsystems geblickt habe.

Unter dem auf Youtube abrufbaren Video findet sich ein Link zum Amadeus Verlag, der verschwörungstheoretische und rechtsesoterische Bücher herausgibt und bei dem auch Vollenweider schon veröffentlichte. Für eines der Werke wird auf der letzten Seite des »Wahlhelfers« geworben. Nicht weniger aufschlussreich ist die als Herausgeber des Gratisblatts im Impressum genannte »Vereinigung der Freien Medien«. Deren Website listet neben Lengsfeld und Vollenweider Mitglieder auf, die größere Bekanntheit in der rechten Szene genießen. Zur Vereinigung gehört der mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilte Michael Stürzenberger, der unter anderem für den rechten Blog »Politically Incorrect« schreibt.

Noch interessanter ist David Bendels, Chefredakteur des »Deutschland Kuriers«. Dessen Publikation war in der Vergangenheit wiederholt durch ihre Unterstützung für die AfD aufgefallen. Zahlreiche Parteifunktionäre haben in dem Medium bereits Beiträge veröffentlicht. Seit 2018 wird der »Deutschland Kurier« durch die in Hamburg ansässige Conservare Communication GmbH herausgegeben, bis 2018 gehörte die Publikation zum »Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten«, dessen Vorsitzender Bendels laut Website bis heute ist.

Der Verein und sein fast namensgleicher Vorgänger sorgten in den letzten Jahren immer wieder für Aufsehen, weil diese die AfD in mehreren Wahlkämpfen mit millionenschweren Kampagnen unterstützten, dabei unter anderem eine Gratiszeitung namens »Extrablatt« herausgaben.

Ähnlich konzipiert ist »Der Wahlhelfer«, der mit dem Hinweis versehen ist, dass dieser nicht für den Wahlkampf genutzt werden dürfe. Zwar enthält die Zeitung keinen Beitrag, der explizit zur Wahl der AfD aufruft. Jedoch werden Themen wie Energiewende, Bildungs- und Asylpolitik aus einer Perspektive dargestellt, wie sie auch die Rechtsaußenpartei vertritt. Explizit wird das Blatt durch den Abdruck eines Briefes einer Initiative namens »Dialog jetzt!«. Deren Ziel? Eine Annäherung zwischen CDU und AfD.

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