- Politik
- Bolivien
Morales will nicht verhandeln
Boliviens Präsident zum Wahlsieger ernannt, Vorwürfe von Wahlfälschung werden geprüft
Boliviens Präsident Evo Morales hat Verhandlungen mit der Opposition nach seiner umstrittenen Wiederwahl eine Absage erteilt. »Ich will Ihnen sagen, dass es hier keine politischen Verhandlungen gibt«, sagte Morales am Samstag in einer Rede in der Stadt Cochabamba. »Wir respektieren hier die Verfassung und wir respektieren die Partei, die die letzte Wahl gewonnen hat«, fügte Morales hinzu. Angesichts der Kritik aus dem In- und Ausland erklärte Morales jedoch die Bereitschaft, den Ausgang der Wahl durch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) überprüfen zu lassen.
Rund um das Tribunal Supremo Electoral, das Oberste Wahlgericht, konzentrieren sich seit fünf Tagen die Proteste in La Paz. Dort hatte dessen Präsidentin María Eugenia Choque am Freitag gegen 17 Uhr den Wahlsieg von Morales nach Auszählung aller Stimmen im ersten Wahlgang mit dem nötigen Vorsprung von zehn Prozentpunkten bekanntgegeben. Den zweiten Wahlgang wird es also nicht geben. Doch der scheint das Minimum, um die Proteste zu stoppen und um den Vorwurf des Wahlbetrugs zu begegnen. Für Montag sind weitere Streiks und Demonstrationen angekündigt.
Sopocachi heißt der Stadtteil, in dem das Obersten Wahlgericht seinen Sitz hat. Das Viertel gehört zu den angesagten von La Paz, rund um die Plaza Abaroa flanieren normalerweise Fußgänger. Am Freitag war jedoch jede noch so kleine Straße des Stadtviertels abgesperrt - mit Bändern, Transparenten und der bolivianischen Flagge. Ab 15 Uhr war der Stadtteil lahmgelegt. In der Nacht trieb die Polizei die Demonstranten mit Tränengasschwaden auseinander.
Während internationalen Organisationen wie die Vereinten Nationen die Gewalt der Polizei kritisieren, ist ein Ende der Proteste nicht in Sicht. »Die Bolivianer sind hartnäckig. Evo hat den Bogen überspannt, zu oft demokratische Rechte mit den Füßen getreten. Es reicht«, so die Pädagogin María B., die sich in eine bolivianische Flagge gehüllt hat.
Dazu beigetragen hat der Wandel in der Haltung der Regierung. In den Tagen nach der Wahl und den ersten Vorwürfen von Wahlbetrug hatte die Regierung sich kaum geäußert, dann die Wahlbeobachter der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) zur Überprüfung des Vorgehens des Obersten Wahlgerichts bei der Auszählung der Stimmen eingeladen. Am Donnerstag wartete Evo Morales in einer Rede in Cochabamba dann mit massiven Ausfällen gegen seinen wichtigsten politischen Gegner Carlos Mesa auf und warnte vor einem Staatsstreich der rechten Kräfte gegen seine Regierung. Das erweckte er den Eindruck, dass sich die Regierung über die zunehmenden Indizien, dass es Wahlbetrug gegeben habe, hinwegsetzen würde. Für Aufsehen sorgte der junge Informatiker Edgar Villegas, der mit einem Informatikerteam der Universität Mayor San Andrés durch den Vergleich der Daten des Obersten Wahlgerichts und des Übermittlungssystems mehr als 2000 Unregelmäßigkeiten aufgezeigt hat. Zudem haben die Wahlbehörden nicht erklären können, weshalb in mehreren Stadtteilen von La Paz und in Städten wie Potosí Wahlunterlagen in Privatwohnungen gefunden und von Nachbarn sichergestellt werden konnten. Unregelmäßigkeiten, die auch die 92 Wahlbeobachter der OAS kritisiert haben. Sie empfehlen einen zweiten Wahlgang.
Die Position der OAS und die kritische Haltung von Spanien, Kolumbien, Argentinien und anderen Ländern hat dazu geführt, dass Evo Morales per Twitter am Samstag einlenkte. Sollte bei der Überprüfung der Wahlergebnisse Betrug nachgewiesen werden, dann werde es einen zweiten Wahlgang geben, kündigte er am Samstag an. Die Proteste gingen derweil landesweit weiter - meist friedlich.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.