Beteiligung auf Augenhöhe
Mietermitbestimmung bei landeseigenen Unternehmen soll ausgebaut werden
»Der Aufbau einer neuen Kommunikation zwischen Mietern, Verwaltung und Unternehmensleitungen hat einen strategischen Zweck. Denn all dies hat auch Einfluss auf die Art, wie und die Perspektive, mit der Unternehmen geführt werden«, sagt Jan Kuhnert, Vorstand der Berliner Wohnraumversorgung. Für diese Kommunikation sollen die Mieterräte und Mieterbeiräte der sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen sorgen, von denen über 100 Vertreter am Montagabend bei deren dritter Konferenz anwesend sind.
Gewählte Mieterbeiräte gibt es schon seit Jahrzehnten, sie sollen die Interessen der Mieter ihres Wohnviertels gegenüber dem Wohnungsunternehmen in allen das Wohnquartier betreffenden Problemen vertreten. Die ebenfalls aus der Mieterschaft gewählten Mieterräte sind an der Spitze der Wohnungsbaugesellschaften angesiedelt. Diese Gremien wurden 2016 in Folge des Mietenvolksentscheids installiert.
Derzeit koexistieren diese zwei Beteiligungsformen teilweise in Konkurrenz zueinander. Abhilfe soll eine Novellierung des Wohnraumversorgungsgesetzes schaffen, die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher (parteilos, für LINKE) in ihrem Grußwort in Aussicht stellt. Die Initiativgruppe Berliner Mieterbeiräte hat einen Vorschlag erarbeitet, wie deren quartiersbezogene Beteiligung in dem neugefassten Gesetz rechtlich fixiert werden kann.
Die ehrenamtlich auf fünf Jahre gewählten Mieterbeiräte sollen »Anhörungs-, Vorschlags- und Mitgestaltungsrechte in allen die Gesamtheit der MieterInnen des Wohngebiets unmittelbar betreffenden Angelegenheiten bekommen«, heißt es da. Durch die Expertise der Mieter könnten Belastungen bei Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen und auch Beschwerden deutlich reduziert werden, ist die Initiativgruppe überzeugt.
Eine Ansicht, die auch Lüscher in ihrer Rede stützt. »In Friedrichshain-West spielen Mieterbeiräte eine sehr schöne Rolle, weil sie die Stimme des Quartiers sind und sehr viel Expertise einbringen«, lobt sie. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) hatte dort mit ihren Nachverdichtungsplänen Schiffbruch erlitten, nun werden neue Pläne für das ganze, noch über den Bestand der WBM hinausreichende, Quartier mit breiter Öffentlichkeitsbeteiligung erarbeitet.
In dem neugefassten Gesetz will die Initiativgruppe auch eine Informationspflicht der Unternehmen über geplante Vorhaben verankern. Immer wieder beklagen Mieterbeiräte, im Vorfeld überhaupt nicht informiert gewesen zu sein. Man verspricht sich auch eine einfachere Kandidatensuche für dieses Ehrenamt. »Uns wurde versprochen, dass bis spätestens Juni der Entwurf der Gesetzesnovelle vorliegt«, berichtet Walter Neumann, Vorsitzender des Mieterbeirats Spittelmarkt.
»Da machen einfach viele jüngere Menschen nicht mit, wenn es vielleicht mal nach drei Jahren intensiver Arbeit ein Erfolgserlebnis gibt«, sagt Alfons Alois Sterz, Mieterbeirat der Gewobag in Charlottenburg-Nord.
»Wir merken auch, dass die Quote der Wahlbeteiligung und die Anzahl der Kandidaten rückläufig sind«, sagt Gewobag-Vorständin Snezana Michaelis. Sie macht vor allem die fünfjährige Bindung an das Amt dafür verantwortlich, dass die diverse Mieterstruktur nicht in den Beiräten abgebildet wird. »Wir neigen zu projektorientierter Beteiligung, um Leute zu aktivieren, die sich nicht auf fünf Jahre binden wollen«, erklärt sie. »Die Augenhöhe ist offen gestanden nicht da«, räumt sie ein.
»Ich glaube, es hat viel damit zu tun, wie von der Gesellschaft kommuniziert und informiert wird«, entgegnet Holger Sykulla, Vorsitzender des Mieterrats der Howoge. »Wenn die Mieter sich aufgehoben fühlen, dann klappt es auch«, ist er überzeugt.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!