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Kein leichter Stand
CDU-Chefs geraten unter Rechtfertigungsdruck - in Thüringen wie auf Bundesebene
In Thüringen hat die CDU nun die Wahl, der rot-rot-grünen Regierung beim Arbeiten zuzusehen, auch wenn diese keine Mehrheit mehr hat. Oder sich einbinden zu lassen in die Regierungsarbeit - in einer Koalition, durch Tolerierung oder wenigstens die Wahl des Ministerpräsidenten - Bodo Ramelow von der LINKEN. Etwas anderes ist nicht im Angebot, so lange die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt. Und das tut sie, auch wenn es mit Vizefraktionschef Michael Heym bereits jemand vorsichtig für eine Kooperation aussprach. Zusammen mit der FDP (die das auch ausschließt) würde es reichen; doch Heym steht bisher allein.
Die Tatsache, dass das Wahlergebnis die rot-rot-grüne Koalition ihre bisherige Mehrheit gekostet hat, jede andere rechnerische Mehrheit aber an parteipolitische Konventionen scheitert, sorgt bisher für Ratlosigkeit. Am wenigsten bisher bei der Linkspartei, die mit 31 Prozent stärkste Kraft in Thüringen wurde und mit Bodo Ramelow über einen Spitzenkandidaten verfügt, dessen Selbstgewissheit bisher über das Problem der Regierungsbildung nach außen hinweghilft. In der CDU aber, die 11,7 Prozentpunkte gegenüber ihrem Ergebnis von 2014 verlor, führt die Ratlosigkeit zu widersprüchlichen Äußerungen und Ankündigungen auf Landesebene und Vorwürfen, die weit in die Bundesebene reichen.
Lässt sich die CDU auf eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der LINKEN ein und damit ihren Unvereinbarkeitsbeschluss fallen, der jede Kooperation verbietet, das ist einer der Fragen nach der Wahl. CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring, der am Montag mit der Ankündigung überrascht hatte, einem Gesprächsangebot Ramelows folgen zu wollen und Verantwortung für das Land wichtiger zu nehmen als parteipolitische Differenzen, ruderte wieder zurück, nachdem ihm im Landesvorstand, aber auch in der Bundespartei heftig der Gegenwind ins Gesicht blasen begann. Schon am Abend bestätigte er eine Erklärung des Landesvorstands, auch er könne sich keine Situation vorstellen, «dass die abgewählte rot-rot-grüne Landesregierung durch die Unterstützung der CDU in eine neue Regierungsverantwortung gehoben wird». Das schließe sich aus.
Während die Landesführung der LINKEN am Montagabend vom Vorstand beauftragt wurde, mit allen Parteien mit Ausnahme der AfD Gespräche aufzunehmen, laviert Mohring. Er sei zum Gespräch bereit - allein aus «staatspolitischer Verantwortung» und nur mit Ramelow. Die CDU kritisiert die nun womöglich auf Dauer geschäftsführende rot-rot-grüne Landesregierung wegen fehlender Legitimation, schließt eine Legitimation - also die Wahl des LINKE-Ministerpräsidenten - aber aus.
In seiner Partei erntete Mohring nach seinem ersten Einlenken sogleich empörten Widerspruch. Vizefraktionschef Carsten Linnemann forderte «Haltung statt Beliebigkeit». Allein in Fragen der Wirtschafts-, Sozial- und Verteidigungspolitik gebe es keinerlei Gemeinsamkeiten, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Chef der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, meinte, mit den «SED-Erben» könne man nicht koalieren, «das ist für uns ausgeschlossen». Und beim Bundesvize Thomas Strobl sträubte sich beim Gedanken an eine Zusammenarbeit mit der LINKEN «alles in mir, wirklich alles», wie er der «Rhein-Neckar-Zeitung» gestand. Doch Mike Mohring findet auch Bestätigung. Nämlich in einem zweiten Punkt. Den Einbruch seiner Partei bei der Wahl hatte er auch mit ihrem bundespolitischen Erscheinungsbild begründet. Diese Kritik wird nun zu einem Sturm. Der ehemalige Fraktionschef im Bundestag Friedrich Merz, ein erklärter Gegner von Bundeskanzlerin Angela Merkel, nutzte die Gelegenheit. «Untätigkeit und mangelnde Führung» warf er ihr vor und dass diese «Art des Regierens in Deutschland noch zwei Jahre dauert bis zum Ende dieser Wahlperiode», das gehe einfach nicht«.
Auch Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wird angegriffen, ihre Eignung als künftige Kanzlerkandidatin der CDU unumwunden in Frage gestellt. Schon am Wochenende hatte sie sich der Attacken Tilan Kubans erwehren müssen. Im Bundesvorstand habe dieser »die Führungsfrage gestellt«, räumte sie zu Wochenbeginn ein. Und nahm den Fehdehandschuh auf: Wer meine, die Frage müsse jetzt entschieden werden, habe auf dem Parteitag im November Gelegenheit. Mit Agenturen
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