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»Súper Lunes« in Chile
Massenproteste für eine neue Verfassung
Um 18.53 Uhr bebte in Santiago de Chile die Erde. Schuld daran waren nicht die Tausenden von Menschen, die sich zum »Súper Lunes«, zum Supermontag, auf und um die Plaza Italia im Zentrum der Hauptstadt versammelt hatten. Das Epizentrum des Bebens mit der Stärke 6,1 lag rund 290 Kilometer nördlich bei der Kleinstadt Illapel.
Der Protest auf der Plaza Italia richtete sich gegen die von der Regierung angekündigten Sozialmaßnahmen. Gefordert wurden stattdessen strukturelle Änderungen und eine neue Verfassung. Waren die Proteste zunächst friedlich verlaufen, kam es am Abend zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Uniformierten.
Bisher versucht die Regierung von Präsident Sebastián Piñera und seine Vierparteienallianz Chile Vamos die Forderung nach der Verfassungsreform mit der Ankündigung sozialer Verbesserungen auszubremsen. Tonangebend in der Regierungsallianz sind die rechtsliberale Renovación Nacional (RN) sowie die pinochettreue Unión Demócrata Independiente (UDI).
»Was die Menschen jetzt wollen, ist eine Lösung bei den Themen Renten, Löhne und Gesundheit. Dagegen dauert eine Verfassungsänderung mehr als ein Jahr,« so der RN-Vorsitzende Mario Desbordes. Und die UDI-Vorsitzende Jacqueline van Rysselberghe erklärte: »Die Änderung der Verfassung ist kein Ausweg aus der Krise, denn die ist keine politische, sondern eine soziale Krise.«
Nägel mit Köpfen machte dagegen das Mitte-links-Oppositionsbündnis Nueva Mayoría am Montag im Verfassungsausschuss des Abgeordnetenhauses. Gegen die Stimmen der Regierungsallianz machte es den Weg für die Debatte im Parlament über eine neue Verfassung frei, und dafür, ob der Kongress oder eine verfassunggebende Versammlung diese ausarbeiten soll. Zustimmung kam bereits vom Senat. »Wir werden nicht warten, bis die Regierung auf die Rufe der Bevölkerung hört. Für eine Lösung der schweren Krise des Landes sind strukturelle Veränderungen erforderlich«, sagte Senatspräsident und Sprecher der Nueva Mayoría, Jaime Quintana.
Noch immer gilt in Chile die Verfassung der Pinochet-Diktatur (1973 bis 1990) aus dem Jahr 1980, die de facto den Neoliberalismus als alleinige Wirtschaftsdoktrin festschreibt. Deshalb ist auch knapp 30 Jahre nach dem Ende der Diktatur noch immer nahezu alles in privater Hand, darunter Bildung, Gesundheit, Renten auch das Wasser.
Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts CADEM sind inzwischen 87 Prozent der Bevölkerung für eine Verfassungsreform. 46 Prozent sind zudem der Meinung, diese sollte durch eine verfassunggebende Versammlung vorgenommen werden. Die Verfassungsreform war eines der entscheidenden Versprechen der ehemaligen sozialistischen Präsidentin Michelle Bachelet (2006 bis 2010 und 2014 bis 2018) für ihre zweite Amtszeit. Für Bachelet war stets der Kongress die dafür zuständige Institution und nicht eine verfassunggebende Versammlung. Noch kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit 2018 hatte sie den nun reaktivierten Reformvorschlag in den Kongress eingebracht. Unter Piñera hatte er dort auf Eis gelegen.
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