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Risse in der Brandmauer nach rechts
CDU-Funktionäre in Thüringen plädieren für Gespräche mit der AfD
In einem »Spiegel«-Interview riet Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag ihrer Partei in Thüringen zu Gelassenheit - gegenüber der LINKEN. Dem Gespräch mit Ministerpräsident Bodo Ramelow solle man sich nicht strikt verweigern. Eine Zusammenarbeit schloss Merkel jedoch mit Linkspartei wie AfD aus.
Offen ist, wie die 17 Thüringer CDU-Funktionäre diesen Rat deuten, die sich kurz zuvor für Gespräche mit der AfD ausgesprochen hatten. Mit einem Appell sorgten die Konservativen, zu denen ein Landtagsabgeordneter und Politiker auf Kreisebene zählen, am Dienstag für heftige Diskussionen. Denn sie forderten »ergebnisoffene« Gespräche mit der AfD. Man könne nicht ein Viertel der Wählerstimmen vom Sonntag ignorieren. Die AfD war bei der Landtagswahl auf 23 Prozentpunkte gestiegen, die CDU aber um über zwölf Prozentpunkte abgesackt. Die Hoffnung der Konservativen richtet sich dennoch auf eine Minderheitsregierung von CDU, SPD, Grünen und FDP, die bei der Wahl des Ministerpräsidenten aber auf die Stimmen der AfD-Fraktion angewiesen wäre.
In einer freiheitlichen Gesellschaft könne es »nicht sein«, dass fast ein Viertel der Wählerstimmen bei den Gesprächen der Parteien außen vor blieben, heißt es in dem Appell. Ohne ausdrückliche Nennung der AfD zwar, aber ohne Möglichkeit einer anderen Deutung. Einem Ministerpräsidenten der LINKEN oder der AfD werde die CDU nicht zur Wahl verhelfen - »jedoch muss alles dazwischen unter Demokraten besprochen werden können, um auszuloten, ob und wie in Thüringen eine stabile Regierung gebildet werden kann«, heißt es. Ähnlich hatte sich bereits CDU-Fraktionsvize Michael Heym geäußert, den die 17 Unterzeichner ausdrücklich verteidigen.
Auf das Ziel einer Minderheitsregierung unter Führung der CDU sollten sich jetzt alle Mitglieder »zum Wohle Thüringens konzentrieren«, äußerte Generalsekretär Raymond Walk, ohne hinzuzufügen, mit wessen Stimmen eine solche Regierung zustande kommen könnte. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil verlangte ein Machtwort von der CDU-Spitze. »Die Brandmauer nach rechts kriegt in der Union immer und immer mehr Risse«, so Klingbeil auf Twitter. Der LINKE-Parteichef Bernd Riexinger warnte die CDU gegenüber AFP, »zum Steigbügelhalter« der Thüringer AfD und ihres Rechtsaußen Höcke zu werden. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, bezeichnete den Vorstoß im »Tagesspiegel« als »verantwortungslos«, weil die AfD damit salonfähig gemacht werde.
Das ist für die 17 Unterzeichner offenbar kein Problem. Ausschließeritis habe die Situation herbeigeführt. »Statt über Bewertungsmaßstäbe zu streiten, sollten wir unsere Energie darauf verwenden, wie wir dieser Entwicklung für die Zukunft entgegentreten wollen.« Mit Agenturen
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