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Wer steckt hinter Neonazi Gruppe »Atomwaffen Division«?
Durch Morddrohungen an Grünen-Politikern ist eine neue rechtsextreme Gruppe bekannt geworden
Washington. Die Morddrohungen gegen die Grünen-Politiker Cem Özdemir und Claudia Roth kommen von einer rechtsextremistischen Gruppierung, die sich selbst als deutscher Ableger einer US-Organisation namens »Atomwaffen Division« (AWD) bezeichnet. Die Organisation gilt als extrem fanatisch und gewaltbereit. In den USA wurden AWD-Mitglieder in den vergangenen Jahren mit mehreren Morden sowie mit mutmaßlichen Planungen für Anschläge etwa auf Nuklearanlagen und Synagogen in Verbindung gebracht.
Gegründet wurde die AWD vor drei oder vier Jahren. Auch in den USA bezeichnet sich die Neonazi-Gruppierung mit dem Namen »Atomwaffen Division«. Der deutsche Zweig wurde nach Angaben von US-Experten im Juni 2018 ins Leben gerufen.
Laut der auf Beobachtung der rechtsextremistischen Szene spezialisierten US-Organisation Southern Poverty Law Center (SPLC) ist die AWD als Netzwerk einzelner »Terrorzellen« organisiert. Die Organisation ist aber relativ klein. Nach Erkenntnissen von ProPublica - einer Stiftung für journalistische Recherche - hatte die AWD Anfang 2018 in den USA etwa 80 Mitglieder.
Die AWD hält als »Hass-Lager« bezeichnete Trainingscamps ab. Dort bereiten sich die Mitglieder in paramilitärischen Übungen auf einen »Rassenkrieg« vor. Ein von der Gruppe im vergangenen Jahr veröffentlichtes Video zeigt Mitglieder in Tarnuniformen, die mit Schusswaffen feuern und rassistische Slogans rufen.
Nach Angaben des SPLC sowie der Anti Defamation League (ADL) - einer weiteren US-Organisation, welche rechtsextremistische Aktivitäten verfolgt - wurde die AWD von Teilnehmern eines Neonazi-Forums im Internet gegründet. Die Gruppierung hat sektenartigen Charakter, ihr Kult dreht sich um die NS-Ideologie, den Hass auf Minderheiten und Gewaltphantasien. Auch Einflüsse satanistischer Kulte mischen sich laut der ADL in das ideologische Gebräu der Gruppe.
Die AWD-Mitglieder teilen nach Angaben dieser Experten eine »makabre Faszination« für den vor zwei Jahren im Gefängnis gestorbenen Sektenführer und Mörder Charles Manson. Er hatte eine Vision von einem »Rassenkrieg« zwischen Weißen und Schwarzen verbreitet und eine Hakenkreuz-Tätowierung auf der Stirn getragen.
Zu den Vorbildern der Gruppe gehören auch der rechtsextremistische norwegische Attentäter Anders Breivik sowie Dylann Roof, der vor vier Jahren in einer Schwarzen-Kirche im US-Bundesstaat South Carolina neun Menschen erschoss.
Drohungen werden wahr
Wie ernst die Drohungen gegen Özdemir und Roth zu nehmen sind, illustrieren mehrere Morde in den USA. Nach dem Mord an einem jungen Homosexuellen in Kalifornien wurde ein mutmaßliches AWD-Mitglied als Tatverdächtiger festgenommen. Auch ein Jugendlicher im Bundesstaat Virginia, der wegen Mordes an den Eltern seiner Freundin angeklagt ist, stand unter Einfluss der AWD. Der Mord hatte womöglich damit zu tun, dass sich die Eltern entsetzt über die Ideologie des Teenagers gezeigt hatten.
Zwei AWD-Mitglieder wiederum fielen selbst vor zweieinhalb Jahren in Florida einem Mord zum Opfer. Der mutmaßliche Täter soll ein früheres Mitglied der Gruppe sein, das zum Islam konvertierte. Der Verdächtige beschuldigte ein AWD-Mitglied namens Brandon Russell, Sprengstoffanschläge geplant zu haben. Russell wurde daraufhin ebenfalls festgenommen, in seiner Wohnung wurde Sprengstoff gefunden. Er wurde zu einer fünfjährige Haftstrafe verurteilt. Laut US-Medienberichten soll Russell vormals der Anführer der AWD gewesen sein.
Die Gründung ihrer deutschen Zelle verkündete die AWD seinerzeit in einem Video. »Auch hier bereiten wir uns auf den letzten, langen Kampf vor, der bald kommen wird«, hieß es laut ADL in der damaligen Botschaft. AFP/nd
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