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Rechtsextreme Reaktion
Der Aufstieg der spanischen Partei VOX war kein heimlicher.
Eine junge »Stimme« sorgt in Spanien für Furore: die rechtsextreme Partei VOX von Santiago Abascal. Ihr wird bei der Parlamentswahl am Sonntag ein Rekordergebnis vorhergesagt. Doch nicht nur diese Prognose lässt aufhorchen. Denn VOX macht aus ihrer faschistoid-franquistischen Gesinnung keinerlei Hehl. Ausgerechnet diese Formation verpasst dem spanischen Zweiparteiensystem aus Sozialdemokraten (PSOE) und der rechten Volkspartei (PP) nun endgültig den Todesstoß - und könnte in die Regierung kommen.
VOX ist, wie die rechts-neoliberale Partei Ciudadanos (Bürger, Cs), eine Reaktion von konservativer Seite auf die linke Empörten-Bewegung und die aus ihr hervorgegangene Partei Podemos (Wir können). Die hatte sich, seit dem Achtungserfolg bei der Europawahl 2014, auf die Fahnen geschrieben, das nach der Franco-Diktatur errichtete »Regime von 1978« zu stürzen. Sie wollte die Republik wieder aufbauen und damit auch die Monarchie beenden. Da Podemos bei Wahlen sogar über 20 Prozent der Stimmen errang, hielten es reaktionäre Kräfte im Land für nötig, eine Gegenbewegung aufzubauen, die aus dubiosen Quellen finanziert wird.
Feindbild »Multikulti«
So ist VOX nicht nur Verteidiger eines postfaschistischen Spaniens, in dem vom Diktator alles »gut festgezurrt« wurde. Die Ultras wollen auch ganz praktisch den Rückwärtsgang einlegen. Sie wenden sich gegen eine »Diktatur der Progressiven«. Größenwahnsinnig meint VOX, Spanien sei die »größte zivilisatorische Leistung der Geschichte«. Die Partei bezeichnet sich als »Stimme des lebendigen Spaniens« und will die spanische Identität gegen ihr Verschwinden in einer »Multikulti-Lava« verteidigen. Und sie hat Holocaustleugner in ihren Reihen, die die »Unrechtsurteile« aus den Nürnberger Prozessen rückgängig machen wollen.
Aus dem Vorwurf, rechtsextrem zu sein, macht sie einen Schlachtruf. VOX erklärt mit Blick auf das spanische Wappen, sie sei nicht nur eine Ultra-Partei, sondern sogar »Plus Ultra!«. Den Sozialdemokraten des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Pedro Sánchez wirft Parteichef Abascal eine »kriminelle Geschichte« vor. Gleichzeitig wies er den Vorschlag von PP-Chef Pablo Casado vehement zurück, in den Regionen auf die Aufstellung von Kandidaten zu verzichten, um Parlamentssitze nicht den linken Kräften zufallen zu lassen. »Sollen sie sich doch zurückziehen«, entgegnete Abascal.
Eigentlich war Ciudadanos von Albert Rivera, mit Unterstützung der Sozialdemokraten, als eine Art Podemos von rechts auf den Weg gebracht worden. »Alfonso Guerra, Ex-Vizepräsident der PSOE, hatte Rivera mit dem Unternehmer bekannt gemacht, der dann das erste Parteibüro der Cs finanziert hat«, erklärt der Faschismus-Experte Jordi Borràs gegenüber »nd«. »Ein sozialdemokratischer Regionalfürst hat für die Finanzierung der ersten landesweiten Wahlkampagne der Cs gesorgt«, so der Journalist. Die »Bürger« haben schließlich als angeblich »liberale« Schwesterpartei der FDP mit ihrem ultranationalistischen Diskurs den Weg für VOX geebnet.
Denn die postfaschistische Volkspartei, die einst absolute Parlamentsmehrheiten errang, machte mit den Cs die VOX-Ultras nach ersten Wahlerfolgen sofort zum Bündnispartner. In Deutschland undenkbar, baute die PP-Cs-Koalition in Andalusien sofort auf VOX. Derartige Bündnisse wurden nach den Regionalwahlen im Frühjahr in wichtigen Regionen wie Madrid wiederholt. Damit wurde nicht nur der sehr gefährliche Diskurs der Partei normalisiert, sondern sie erhielt immer kräftigere Sprachrohre.
Der ganz normale Antidemokrat
Borràs hält es für möglich, dass Abascal der Führer ist, auf den die Ultrarechte seit 40 Jahren gewartet hat. Für deren Aufstieg macht er Medien mitverantwortlich. »Abascal wird zu Debatten eingeladen, als wäre er ein ganz normaler Politiker, dabei sind die Rechtsextremen Antidemokraten.« Das tut ihrer Popularität keinen Abbruch: Bei der Wahl könnte VOX nun die Cs-Partei als drittstärkste Kraft ablösen - und Regierungspartei werden, sollte sich Sánchez auf sie einlassen, um eine stabile Mehrheit zu erringen.
Schon jetzt ist ein Rechtsruck jedoch unverkennbar. Schließlich sind, so Borràs, sowohl Cs als auch VOX Sprösslinge der PP, die von sieben ehemaligen Ministern der Franco-Diktatur gegründet wurde. Cs-Chef Rivera war einst genauso in der PP wie VOX-Anführer Abascal, der sie sogar in einem Regionalparlament vertreten hatte. So verwundern auch Verstrickungen nicht, wie sie Journalist Borràs aufdeckt: Der ehemalige Präsident der antikatalanischen Organisation SCC verbreitete unter falschem Namen Nazi-Propaganda. In jener »Katalanischen Zivilgesellschaft« arbeiten PP, Cs und VOX nicht nur mit Falangisten und Franquisten zusammen. Mitglied ist dort auch der ehemalige spanische Außenminister Josep Borrell. Der Mann, der nun Außenbeauftragter der EU ist, hat daran mitgewirkt, dass Positionen wie die von Abascal hoffähig wurden. Er ist einer von vielen.
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