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Freuen auf bessere Zeiten
LINKE im Bundestag bestimmt ihren Vorstand neu - ohne Sahra Wagenknecht, aber mit den alten Konflikten
War es das? Ist die politische Karriere Sahra Wagenknechts zu Ende? Wer ihren bisherigen Weg betrachtet, kann dies kaum glauben. Am Dienstag wählt die Linksfraktion ihren Vorstand neu, und die bisherige Fraktionsvorsitzende neben Dietmar Bartsch hat angekündigt, sich zurückzuziehen. Der Posten an der Fraktionsspitze ist immerhin das Beste, was man in einer Oppositionspartei erreichen kann, wenn man vom Parteivorsitz absieht.
«Ich werde mich weiter politisch engagieren, denn mein politisches Anliegen bleibt ja das gleiche.» Das ist die Antwort Sahra Wagenknechts auf die Frage von «nd» nach ihren Plänen. Doch mit ihrem Rückzug zahlt sie durchaus Tribut - einerseits an gesundheitliche Belastungen; zu Jahresbeginn war sie nach einem Burn-out zwei Monate ausgefallen. Aber auch an die Kämpfe innerhalb der Partei, in denen sie als Galionsfigur eines Flügels im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber auch immer wieder von Angriffen stand. Sie bezeichnete es wiederholt als «Unverschämtheit», dass auch eigene Genossen ihr vorwarfen, Konzessionen an rassistische Ideologien zu machen und hielt zugleich eisern an ihren Standpunkten fest, die Stein des Anstoßes waren. Spurlos gingen die Kämpfe nicht an ihr vorüber.
Sie sei «sehr erleichtert, dass ich in Zukunft nicht mehr so viel Zeit und Kraft in die Abwehr interner Attacken und unproduktive Auseinandersetzungen investieren muss», gesteht sie nun. «Das gibt mir die Chance, mich auf das zu konzentrieren, was ich für wichtig halte und auch besser kann als internes Netzwerken: zu lesen und neue Ideen zu entwickeln, zu publizieren und öffentlich für eine sozialere Gesellschaft zu werben.»
Christian Wagner hat in einer im Sommer erschienenen Biografie die von Wagenknecht selbst eingeräumten «Grenzen ihrer politischen Fähigkeiten» beschrieben. Sie könne Menschen gewinnen, aber letztlich sei ihr das politische Handwerk fremd, zitiert Wagner die Politikerin selbst: «Also, den Apparat zu beherrschen, das liegt mir nicht.» Die Fraktion führe eigentlich Dietmar Bartsch.
Dabei hat Wagenknecht Übung darin, sich gegen Widerstände zu behaupten. Sie hatte Stehvermögen bewiesen, als etwa die Führungsleute der PDS, Lothar Bisky und Gregor Gysi, ihr vor vielen Jahren nahelegten, die Partei zu verlassen, sie später als Vorsitzende verhinderten oder mit ihrem eigenen Rücktritt drohten, als Wagenknecht Anstalten machte, für den Fraktionsvorsitz im Bundestag zu kandidieren. Seit vier Jahren steht sie mit Dietmar Bartsch an der Spitze der Fraktion. Und nun? Ist sie auf dem Weg in den politischen Elfenbeinturm, um von dort ab und an Empfehlungen herunterzurufen?
Mit 50 Jahren wäre es nicht ehrenrührig, einen Gang herunterzuschalten. Sie verfügt über viel mehr Medienmacht als die meisten Leute in ihrer Partei; diese wird sie auch künftig nutzen. Doch darüber hinaus hat sie mit der Gründung der Bewegung «Aufstehen» gezeigt, dass ihre Ambitionen sich nicht im Kommentieren erschöpfen. Sie wolle die angestrebte neue sozialistische Gesellschaft noch selbst erleben, hat Wagenknecht in einem ihrer Bücher geschrieben.
Die Zeit für den eigenen Aufbruchversuch hat sie allerdings verpasst. Nachdem «Aufstehen» 2018 unter regem öffentlichen Interesse gegründet war, zog sich Wagenknecht nach einem halben Jahr auch hier zurück. Was blieb, sind bundesweit in meist überschaubarem Kreis agierende Ortsgruppen, die sich um Vernetzung bemühen und den Protesten der außerparlamentarischen Bewegung mancherorts einen Farbtupfer hinzufügen. Und vereinzelte Podiumsdiskussionen mit Wagenknecht, denen dann meist Hunderte Teilnehmer zuströmen, die moralisch gestärkt zurückbleiben, wenn die Politikerin wieder ins Auto steigt. Wagenknecht selbst sieht gerade eine Stärke von «Aufstehen» darin, dass überwiegend Menschen erreicht wurden, die sich in keiner Partei mehr zu Hause fühlen. Die damit verbundene große Chance sei weder von der SPD noch von der LINKEN genutzt worden, wiederholt Wagenknecht auf Rückfrage eine bekannte Position. Aber nach wie vor sieht sie hier ein großes Potenzial: «Aufstehen» habe über 150 000 registrierte Mitglieder - «mit wieder leicht steigender Tendenz und über hundert aktive Ortsgruppen». 'Aufstehen' werde heute von ehrenamtlichen, überwiegend jungen Leuten organisiert. «Das ursprüngliche Ziel, soziale Themen wieder auf die Straße und damit auch stärker in die gesellschaftliche Debatte zu bringen, ist uneingelöst, bleibt aber aktuell.
Wortmächtig, unerschrocken, über alle Zweifel erhaben, was ihre Analysen der kapitalistischen Ökonomie angeht, ist Wagenknecht bei Medienleuten beliebt. Das gilt sicher auch für die Basis ihrer Partei. Gerade in Funktionärskreisen jedoch ist sie umstritten, wie sich auf einem Parteitag im Juni in Leipzig zeigte, der wegen überraschend heftiger Vorwürfe aus den Fugen geriet. Der Kern der Vorwürfe lautete auch hier: Sie habe migrationspolitische Positionen der Partei verlassen und verlege sich zunehmend auf die Nation zur Lösung zunehmend globalisierter gesellschaftlicher Probleme. Er ist Teil des Konflikts auch mit der Parteispitze unter Katja Kipping und Bernd Riexinger. Zuweilen gipfelt er gar in der Unterstellung, Wagenknecht strebe nach einem »nationalen Sozialismus«.
Solche Behauptungen weisen nicht nur Wagenknechts Gefolgsleute vom linken Parteiflügel empört zurück, sondern auch große Teile der sogenannten Reformer. Mit Wagenknecht und Dietmar Bartsch haben beide Gruppen gemeinsam in den letzten vier Jahren in einem Bündnis agiert, das gern als »Hufeisen« bezeichnet wird. Die Gefolgsleute der Parteivorsitzenden Katja Kipping bilden die dritte Gruppe. Auf die Nachfolge Wagenknechts bewerben sich am Dienstag die Fraktionsvizevorsitzende Caren Lay und die niedersächsische Abgeordnete Amira Mohamed Ali. Lay ist die bekanntere und erfahrenere von beiden. Die in Rheinland-Pfalz geborene Politikerin lebt seit Jahren in Sachsen; mit Katja Kipping verbinden sie lange gemeinsame Zeiten.
Amira Ali Mohamed ist Wunschkandidatin des Wagenknecht-Flügels. Ob die Reformer bei ihrer Wahl mitziehen, ist die große Frage. Wenn sich die Hamburgerin, die über die niedersächsische Landesliste 2017 in den Bundestag einzog, bei der Wahl durchsetzte, wäre dies Hinweis darauf, dass das Hufeisen fortwirkt. Die Fraktionsvizevorsitzende und Wagenknecht-Vertraute Sevim Dagdelen tritt ebenfalls nicht wieder an. Niema Movassat und Nicole Gohlke sowie Achim Kessler haben ihr Interesse angemeldet. Und auch der Name von Sören Pellmann wird genannt. Der Leipziger errang bei der Bundestagswahl eines der fünf Direktmandate der LINKEN - das einzige außerhalb Berlins.
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