Die Wahl gewonnen und trotzdem ratlos

Sozialdemokraten stärkste Kraft nach Parlamentswahlen in Spanien, rechte Parteien legen zu

  • Ralf Streck, Barcelona
  • Lesedauer: 4 Min.

»Sit and talk«. Die zentrale Botschaft der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung an die Regierung in Madrid stößt seit geraumer Zeit auf taube Ohren. Und weil sich die Aktivisten von Tsunami Democràtic (Demokratischer Tsunami) auch vom Ausgang der spanischen Parlamentswahlen keinen Selbstläufer zum Dialog zwischen den Regierungen in Barcelona und Madrid erwarten, setzten sie ein Zeichen. Sie blockierten die Autobahn AP-7 in La Jonquera, kilometerlange Staus waren die Folge.

Nicht nur in Katalonien hat der Aufstieg der rechtsextremen VOX zur drittstärksten Kraft in Spanien Bestürzung und Besorgnis ausgelöst. Dass Spanien keine Ausnahmeerscheinung ist, wie lange in Bezug auf rechtsextreme Parteien behauptet, wurde am Sonntag bei den Parlamentswahlen eindeutig klar. Die offen faschistoide VOX zieht mit 15,1 Prozent als drittstärkste Kraft ins spanische Parlament ein und wird dort nun mit 52 statt mit 28 Sitzen vertreten sei. Damit erhielt die Abspaltung von der rechten Volkspartei (PP), die vom ehemaligen PP-Parlamentarier Santiago Abascal geführt wird und offen die Franco-Diktatur verteidigt, deutlich mehr Stimmen als im April mit 10,3 Prozent.

Auch die PP konnte zulegen. Sie kam statt auf knapp 16 nun auf knapp 21 Prozent. Statt 66 erhält sie nun 88 Sitze. Die Gewinne kommen aus dem Absturz der rechts-neoliberalen Ciudadanos. Die Partei von Albert Rivera - ebenfalls einst PP-Mitglied -, stürzte auf 6,8 Prozent ab und hat nur noch zehn von zuvor 47 Sitzen. Noch im April war die Cs, die sich selbst »liberal« nennt, mit knapp 16 Prozent drittstärkste Kraft. Parteichef Rivera kündigte am Montag an, sich komplett aus der Politik zurückzuziehen. Er hat dafür bezahlt, die Partei in Koalitionen mit der PP in Andalusien, Madrid und Murcia geführt zu haben, die von den VOX-Ultras gestützt werden.

Die Sozialdemokraten (PSOE) des geschäftsführende Ministerpräsidenten Pedro Sánchez fielen von knapp 29 auf 28 Prozent. Die PSOE verliert drei Sitze und steht jetzt bei 120 und ist damit 56 Sitze von der absoluten Mehrheit entfernt. Fatal ist für Sánchez, dass der Absturz der Cs ihm definitiv den Weg verbaut, mit ihr eine Mehrheit zu schaffen, wie er es stets im Auge hatte und im April möglich war. Doch Rivera verweigerte sich und führte die Cs an den rechten Abgrund. Eine Koalition PSOE-Cs bliebe mit 130 Parlamentariern weit entfernt von einer Mehrheit.

Selbst wenn die Linkskoalition um Pablo Iglesias Unidas Podemos (Gemeinsam können wir es) einsteigen würde, wäre man mit 165 noch weit von den notwendigen 176 Sitzen entfernt. Podemos mit seinem katalanischen Ableger »En Comu« mussten, weil sich die Partei gespalten hat, Federn lassen. Sie kam noch auf 13 Prozent. Die Abspaltung »Mas Pais« erreichte mit knapp zwei Prozent und drei Sitze. Inigo Errejón, einst Freund von Podemos-Chef Pablo Iglesias und Podemos-Mitbegründer, hatte sich mehr erhofft.

Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat ihr Gewicht im Kongress vergrößert. Die linksradikale CUP zieht erstmals mit zwei Sitzen ins spanische Parlament ein. Die Republikanische Linke (ERC) wird in Katalonien wieder stärkste Partei, verliert aber leicht und kommt nur noch auf 13 statt auf 15 Sitze. Ihr Versuch, Pedro Sánchez durch Enthaltung ohne Gegenleistungen an die Macht bringen zu wollen, hat sie Stimmen und Anteile gekostet. Die wanderten zur CUP und zur offenen Liste von Exilpräsident Carles Puigdemont ab, auf der auch gestandene Linke kandidiert haben. Obwohl die Wahlbeteiligung niedriger ausfiel, erhielt »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat) knapp 30 000 Stimmen mehr und kam auf 13,7 statt auf 12 Prozent.

Ähnlich waren die Ergebnisse im Baskenland. Die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) gewann einen Sitz hinzu, der nicht auf Kosten der linken »EH Bildu« ging. »Baskenland vereinen« holte ein Rekordergebnis und legte trotz geringerer Beteiligung 20 000 Stimmen zu und kam nun auf 18,3 Prozent. Belohnt wird ihr Kurs mit nun fünf Sitzen im Parlament und einer eigenen Fraktion. Die drei spanischen Rechtsparteien holten im Baskenland keinen einzigen Sitz.

Für Spaniens Ministerpräsidenten Pedro Sánchez ist mit diesem Ergebnis die Regierungsbildung schwieriger denn je. Für das von ihm proklamierte progressive Bündnis müsste er mit katalanischen und baskischen Parteien zusammenarbeiten. In Sicht ist das nicht.

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