• Berlin
  • Sozialgipfel in Berlin

Kaum angemessener Wohnraum

Sozialgipfel stellt arme, alte, behinderte und geflüchtete Menschen in den Mittelpunkt

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir raten dem Senat dringend, sich parallel zum Mietendeckel verstärkt um die Durchsetzung des verbürgten Rechts auf angemessenen Wohnraum zu kümmern«, fordert der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, am Donnerstag.

Anlässlich des zehnten Berliner Sozialgipfels unter dem Titel »Wohnen für alle!?« stellen Vertreter*innen von neun beteiligten großen Sozialträgern wie der Berliner Landesverband des Sozialverbands Deutschland (SoVD), die Volkssolidarität und der VDK Sozialverband ihre Positionen zu einer sozialen Stadtentwicklung vor. Dabei berufen sie sich gemeinschaftlich auf die Berliner Landesverfassung: »Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum.«

Angemessen heißt: bezahlbar, lebenswert, barrierefrei. In Berlin leben 631 000 Menschen mit Behinderungen, 700 000 sind über 65 Jahre alt, 22 000 Menschen leben in Gemeinschaftsunterkünften für Flüchtlinge. Zwischen 4000 und 10 000 Menschen sind obdachlos, die Zahl der Wohnungslosen geht darüber hinaus. Was bedeutet das Recht für sie?

»Wenn diese Berliner eine Wohnung brauchen, stehen sie in der sehr langen Schlange einer gnadenlosen Konkurrenz ganz weit hinten«, illustriert es Wild. Von den 40 000 in den letzten dreieinhalb fertiggestellten Wohnungen ließe sich nicht einmal ein Zehntel in dem Segment »angemessen« verorten: »Die 3500 neugebauten Sozialwohnungen sind bedeutungslos hinsichtlich des großen Bedarfs«, so Wild weiter. Mehr als 90 Prozent: hochpreisig und Eigentum. Das größte Problem: die private Wohnungswirtschaft selbst. Hier gebe es kein Interesse, die besonderen Bedarfe Hunderttausender Berliner*innen zu berücksichtigen.

Das betrifft auch den Umbau von Bestandswohnungen, sagt die Landesvorsitzende des SoVD, Ursula Engelen-Kefer. Hier gebe es den »unmöglichen Tatbestand«, dass Mieter*innen verpflichtet seien, die Einrichtungen bei Auszug auf eigene Kosten zurückzubauen. »Das muss abgeschafft werden«, verlangt die Landesvorsitzende. Darüber hinaus fordert sie die verpflichtende Beteiligung von Sachverständigen für barrierefreies und rollstuhlgerechtes Bauen bei jedem Neubauvorhaben. Noch immer werde hier die Rollstuhlgerechtigkeit regelmäßig missachtet. Das bestätigen auch die Vertreter*innen vom VDK Sozialverband. Lars Helmer ist selbst Rollstuhlfahrer und kann aus eigener Erfahrung über die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche berichten. Er habe Glück gehabt und nach neun Monaten eine Wohnung gefunden, von der aus er auch noch seinen Arbeitsplatz erreiche, ohne im öffentlichen Nahverkehr »stecken zu bleiben«: Nicht funktionierende Aufzüge sind keine Seltenheit an Berliner U-Bahnhöfen. Er kenne viele Rollstuhlfahrer*innen, so Helmer, die deshalb zu Hause bleiben würden.

Seine Kollegin Henrike Weber verweist auf den Aspekt der viel zu niedrig angesetzten Kosten der Unterkunft (KdU) von Rollstuhlfahrer*innen mit Hartz-IV-Bezug: »Es gibt nicht genug Bewegungsfläche, keinen Platz für Hilfsmittel und die Assistenten müssen im Wohnzimmer auf der Couch schlafen.« Die Volkssolidarität konzentriert sich beim Sozialgipfel auf die Forderung nach Wohnberechtigung für Flüchtlinge.

Ein anderes Projekt für Barrierefreiheit ist derweil völlig ins Stocken geraten: die sogenannten Inklusionstaxis. Die Sozialverwaltung von Senatorin Elke Breitenbach (LINKE) hat bereits vor sechs Monaten einen Etat für den rollstuhlgerechten Umbau von 250 Fahrzeugen beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) bereitgestellt. Allein: die in der Berliner Taxi-Innung versammelten Firmen rufen das Geld nicht ab.

Es gibt viel Diskussionsbedarf beim Berliner Sozialgipfel, der am Montag um 16.30 Uhr im Gewerkschaftshaus der IG Metall beginnt.

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