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Knapp daneben ist auch vorbei
Die Wirtschaft entging mit einem Miniwachstum von 0,1 Prozent im dritten Quartal nur knapp einer Rezession
Eigentlich waren sich alle Experten einig: Der Traum vom ewig währenden Wachstum ist aus, Deutschland befindet sich bereits in einer Rezession. Nun überraschte das Statistische Bundesamt am Mittwoch alle: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist allen Vorhersagen zum Trotz von Juli bis September doch gewachsen. Zwar nur um mickrige 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Aber immerhin befindet sich die hiesige Wirtschaft mit diesem Quasi-Stillstand immerhin nicht im Abschwung.
Von einer »technischen« Rezession sprechen nämlich Ökonomen, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale hintereinander schrumpft. Von April bis Mai war dies schon der Fall. Damals ging das BIP um 0,2 Prozent zurück. Wäre es auch im dritten Quartal gesunken, hätte sich die Konjunktur also ganz offiziell im Abschwung befunden.
Und viele Anzeichen deuteten daraufhin, dass dies der Fall sei. So verbuchten die Maschinenbauer im August 17 Prozent weniger Bestellungen als im Vorjahr. In der Automobilbranche sank die Produktion in den ersten zehn Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um neun Prozent auf knapp vier Millionen Fahrzeuge, weil die Nachfrage im Ausland derzeit einbricht.
In beiden Branchen kriselt es schon länger. In den Boomjahren standen sie zwar für die Exportmacht Deutschland - sie machen zusammen ein Drittel aller Ausfuhren aus. Doch seitdem der Brexit, die von US-Präsident Donald Trump losgetretenen Handelskonflikte und die Abschwächung des chinesischen Wirtschaftswachstums Unsicherheit in den globalen Handel bringen, sind Autos und Maschinen »Made in Germany« nicht mehr so gefragt wie früher.
Bereits seit Monaten senken Wirtschaftsinstitute und die Bundesregierung deshalb ihre Prognosen. Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium in seiner Herbstprojektion 2018 noch von einem Wirtschaftswachstum für dieses Jahr von 1,8 Prozent ausging, glaubt Peter Altmaiers Ressort jetzt nur noch an ein Plus von 0,5 Prozent. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ist sogar noch etwas pessimistischer und prognostizierte zuletzt 0,4 Prozent Wachstum für dieses Jahr.
Seit längerem werden deshalb Forderungen nach einem staatlichen Eingriff laut. Die Unternehmerlobby fordert Steuergeschenke. Die Gewerkschaften sprechen sich stattdessen für mehr öffentliche Investitionen und die Ausarbeitung eines Konjunkturprogramms aus, das im Krisenfall die Binnennachfrage stützen würde.
Nun scheint sich die Stimmung unter den Experten etwas aufgehellt zu haben. »Die aktuellen Daten zeigen die Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dank der kräftigen Inlandsnachfrage«, sagt IMK-Direktor Sebastian Dullien. Weil unter anderem Auftragseingänge und Exportwachstum zuletzt besser als erwartet ausfielen, ging das Rezessionsrisiko laut seinem Institut spürbar zurück. Die Wahrscheinlichkeit für einen Abschwung in den nächsten drei Monaten beziffert das IMK derzeit mit 34,9 Prozent, nachdem es im Oktober von 56,5 Prozent ausgegangen war. Die »Rezessionsampel« ist damit von »rot« auf »rot-gelb« gesprungen, was beim IMK für eine »erhöhte konjunkturelle Unsicherheit« steht.
Dass die Wirtschaft trotz des nun bekanntgegebenen Miniwachstums in einen Abschwung geraten könnte, liegt zum einen daran, dass das Ergebnis vom Statistischen Bundesamt noch nach unten revidiert werden könnte. So gingen die Statistiker zunächst von einem Minus für das zweite Quartal von 0,1 Prozent aus, was sie jetzt korrigieren mussten. »Zum anderen wissen wir auch noch nicht, wie das laufende und folgende Quartal ausschauen wird«, sagt Dullien.
Letztlich deuten auch die aktuellen Zahlen dem IMK zufolge darauf hin, dass das Wachstum im kommenden Jahr nur knapp oberhalb der Stagnationsschwelle liegen dürfte. So kriselt es laut der IG Metall derzeit allein in Baden-Württemberg in 160 Industriebetrieben. Dort wurden unter anderem bereits Sparprogramme, Personalabbau, Kurzarbeit oder gar Schließungen angekündigt.
»Gerade die maue Investitionstätigkeit verdeutlicht, dass die deutsche Industrie angeschlagen ist«, warnt auch Claus Michelsen, Konjunkturexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, vor zu viel Optimismus. Die schwache Industriekonjunktur - allen voran die Probleme in der Automobilindustrie - dürften auch an den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht spurlos vorbeigehen. »Letztlich ist und bleibt die Binnenkonjunktur aber eine Wachstumsstütze«, so Michelsen.
Was die Konjunktur in eine richtige Rezession samt Anstieg der Arbeitslosigkeit stürzen könnte, ist eine Eskalation des Handelsstreits zwischen der EU und USA. Bis zum 13. November hatte Trump Zeit zu entscheiden, ob er Sonderzölle auf Autoimporte aus der EU erheben will. Dies würde vor allem deutsche Autobauer treffen. Trump ließ den Termin verstreichen und äußerte sich seitdem noch nicht zu dem Thema.
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