XR distanziert sich von Hallam nach Holocaustrelativierung

Der deutsche Ableger von Extinction Rebellion zeigt sich bestürzt über die jüngsten Äußerungen des Mitbegründers der Bewegung in England

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist nicht das erste Mal, dass Roger Hallam, britischer Mitgründer der Klimabewegung »Extinction Rebellion« (zu Deutsch: »Rebellion gegen das Aussterben«, kurz »XR«), mit Äußerungen provoziert, schockiert und spaltet. Doch mit seiner letzten skandalösen Bemerkung über die Shoah bringt er auch den deutschen Ableger von »XR« gegen sich auf. In einem Gespräch mit der »Zeit« nannte Hallam den Holocaust »just another fuckery in human history«. Übersetzt heißt das in etwa: »nur ein weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte«.

Kurz nach Veröffentlichung des Artikels auf der Homepage der »Zeit« prasselte ein Shitstorm auf Hallam und die ganze »Extinction Rebellion«-Bewegung ein. Die Reaktion von »XR«-Deutschland folgte prompt: In einer Pressemitteilung distanziert sich die Bewegung von den Äußerungen Hallams. Er sei »kein Sprecher für XR Deutschland und hat sich in keiner Weise mit uns abgesprochen«, heißt es. Und weiter: »Dies gilt ebenso für Hallams Aussagen zur Demokratie, zu Sexismus und Rassismus.« Damit sind Äußerungen gemeint, die der britische Gründer von »XR« im September ebenfalls gegenüber der »Zeit« machte. Damals hatte er gesagt: »Anders als klassische linke Bewegungen schließen wir niemanden aus, auch jemand, der ein bisschen sexistisch oder rassistisch denkt, kann bei uns mitmachen«. Eine allgemeine Distanzierung von diesen Aussagen gab es damals aus Deutschland nicht.

Allerdings gab es schon damals viel Kritik an Hallam. Einige Mitglieder von »Extinction Rebellion« in Deutschland versuchten, das Zitat aufzuklären. So sagte Tino Paff, aus der Ortsgruppe Weimar damals gegenüber »nd«, es könnte zum einen sein, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Zum anderen habe sich Hallam wohl missverständlich ausgedrückt und eigentlich sagen wollen, dass »XR« die breite Gesellschaft erreichen wolle.

Für so eine wohlwollende Interpretation und Aufklärungsversuche ist Hallam diesmal zu weit gegangen. Das wird im Gespräch mit Pfaff deutlich. Der Klimaaktivist erklärt gegenüber »nd«: »Ich bin entsetzt und schockiert über diese Aussage. Für mich ist es absolut nicht tragbar, die Geschichte und den Holocaust so darzustellen und zu relativieren.« Die Aussagen seien ein klarer Verstoß gegen die zehn Prinzipien, die sich die Bewegung selbst gegeben hat.

Dennoch prasselt jetzt ein Shitstorm auf die gesamze Klimabewegung ein. Beispielsweise äußerten zahlreiche Nutzer*innen des Kurznachrichtendienstes Twitters am Mittwochvormittag Kritik an »Extinction Rebellion« und warfen den Klimaaktivist*innen vor, sich durch Mitglieder, die solche Statements von sich ließen, als ganze Bewegung zu diskreditieren. Pfaff sagt zu diesen Vorwürfen, dass es ihm wichtig sei, dass »Hallam kein Anführer der Bewegung ist und wir in Deutschland dezentral organisiert sind.« Für ihn steht fest, dass »Extinction Rebellion« Antisemitismus nicht duldet und eine globale Klimabewegung ist.

Zu späte Distanzierung von Hallam
Die Holocaustrelativierung des Mitgründers der Klimabewegung »Extinction Rebellion« war nur die Spitze des Eisbergs, meint Katharina Schwirkus

Im Laufe des Mittwochmittags meldeten sich zahlreiche XR-Ortsgruppen aus ganz Deutschland über die soziale Medienn, um sich von Hallams Äußerungen zu distanzieren. Kritiker*innen von »Extinction Rebellion« reichen die Distanzierungen jedoch nicht aus, sie fordern, dass die Bewegung den Engländer ausschließt. Der Klimaaktivist Pfaff versteht diese Forderung und sagt: »Wir müssen darüber reden, ob wir Hallam aus der Bewegung ausschließen können oder er sich mit den Äußerungen nicht schon selber ausgeschlossen hat.«

Klar ist jedenfalls, dass Hallam der Bewegung und besonders dem deutschen Ableger von »XR« erheblich geschadet hat. Viele Medien berichteten am Mittwoch ausführlich über die untragbaren Aussagen des englischen Mitgründers von »Extinction Rebellion«. Deswegen ist Pfaff besorgt, dass »der Fokus jetzt auf solchen Äußerungen von Einzelpersonen liegen wird und nicht auf den Zielen der Klimabewegung.«

Den Zeitpunkt hätte Hallam kaum schlechter treffen können: In zwei Wochen beginnt die Weltklimakonferenz. »Da sollte eigentlich der Fokus auf den Entscheidungen liegen, die dort getroffen werden und unseren Forderungen sowie dem Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe«, sagt Pfaff. Deswegen wünsche sich »Extinction Rebellion«, »dass sich die Medien ihrer Verantwortung bewusst sind und sich von solchen Äußerungen nicht vereinnahmen lassen«, so Pfaff.

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