- Politik
- Kersten Artus
Ein neuer Fall für die Sexistenjägerin
Nach ihrem Sieg gegen einen Abtreibungsgegner stellt Kersten Artus nun Strafanzeige gegen wikiMANNia
Frau Artus, Sie haben Strafanzeige gegen »wikiMANNia« gestellt. Was ist das für ein Internetportal?
WikiMANNia ist ein sexistischer Pranger. Er korrumpiert Wikipedia-Artikel über bestimmte Personen und setzt Kommentare dazu. Das Portal bekennt sich dazu, antifeministisch und »genderfrei« zu sein. Damit zieht es ein gewisses Klientel an, das sich dort einschlägig »informiert«. Die Seite ist voller falscher Tatsachenbehauptungen. Und wie wir wissen, werden aus Worten oft Taten.
Kersten Artus ist Vorsitzende von ProFamilia Hamburg, arbeitet für die Abgeordnete Cornelia Möhring (LINKE), ist als Journalistin tätig und engagierte Großmutter. Zuletzt gewann sie vor Gericht gegen den Abtreibungsgegner und Antifeminist Yannic Hendricks. Über ihre neuste Strafanzeige gegen das sexistische Prangerportal »wikiMANNia« sprach mit ihr Lotte Laloire.
Was steht da über Sie?
Erst mal das, was man auch im richtigen Wikipedia über mich findet. Das beginnt ganz harmlos, aber dann steht da auch: »Kersten Artus agitiert offen gegen weiße Bürger und für die Abtreibung weißer Kinder, gegen Sexismus und für Genderismus«. Völlig absurd! Es heißt, dass ich mich für Kindsmörder engagieren würde. Oder sie kommentieren Zitate von mir. Zum Beispiel habe ich mal gesagt: »Aber eine Frau, die ungewollt schwanger ist, muss wissen, welche Methode des Abbruchs für sie die beste ist, welche Ärztin welche macht.« Darunter schrieb wikiMANNia: »Kersten Artus gebärdet sich - einer Faschistin gleich - wie eine Herrin über Leben und Tod.«
Wie ging es Ihnen, als Sie ihren eigenen Eintrag entdeckten?
Das war ungefähr vor zwei Jahren. Erst mal habe ich gelacht, weil das einem sehr absurd und albern vorkommt. In der Tat wird diese Seite von ganz vielen nicht ernst genommen, weil sie so absurd ist. Man kriegt die Leute dahinter nicht wirklich zu fassen. Aber jetzt, wo sie mir ökonomisch schaden wollen, habe ich mich entschieden, etwas dagegen zu machen. Die honorarfreie Abbildung eines meiner Fotos auf wikiMANNia ist ein Hebel, über den ich an sie herankomme. Mir geht es vordringlich darum, Hass, Hetze und Diebstahl nicht einfach hinzunehmen.
Was war das für ein Foto, das wikiMANNia offenbar unzulässigerweise abgebildet hat?
Ich habe im November 2017 beim Prozess gegen die Gießener Frauenärztin Kristina Hänel ein Foto gemacht. Darauf ist ihre Kollegin Nora Szász aus Kassel zu sehen. Sie trägt ein Plakat, auf dem steht, sie sei angeklagt worden, weil sie über Schwangerschaftsabbrüche informiere und diese durchführe. Dieses Foto ist auf der Soli-Website, die ich für angeklagte Ärzte betreibe. Von da hat wikiMANNia wohl mein Foto geklaut und bei sich auf die Seite gestellt. Darunter haben sie geschrieben: »Kindsmörderin mit staatlicher Approbation, demonstriert offen für ihr Tötungshandwerk«, und dazu haben sie mein Copyrightzeichen gepackt. Das ist schon pervers.
Welcher Straftatbestand könnte dadurch erfüllt sein?
Das ist eine unerlaubte Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke nach Paragrafen 106 und 108 Urheberrechtsgesetz. Gerade dieses Bild hat sich ganz gut verkauft, die Kassler Seite »Lokalo24« und die »Emma« haben dafür bezahlt. Viel Geld habe ich nicht bekommen, aber das Foto ist schon etwas wert. Ich habe wikiMANNia darauf hingewiesen, dass das Foto honorarpflichtig ist und sie es löschen sollen. Ob das eine oder mehrere Personen sind, weiß ich nicht. Der Typ, der mir geantwortet hat, nennt sich jedenfalls »Mus Lim«, wahrscheinlich ein Pseudonym, alles fake. Er sagte, ich solle den Betreiber der Seite kontaktieren, er sei nur der Chefredakteur. Die Bildunterschrift mit »Kindsmörderin« bezeichnete er als »redaktionelle Klarstellung«.
Das Foto wurde daraufhin nicht gelöscht. Wie erklären Sie sich das?
Die wissen bestimmt, dass das Diebstahl ist. Vielleicht wollen sie sehen, wie hartnäckig ich bin. Dann haben sie sich einfach nicht mehr gemeldet. Möglicherweise werden die sich darauf zurückziehen, dass sie nur via Hotlink auf meine Website verlinkt haben. So bettet man Medien aus anderen Quellen auf der eigenen Seite ein, ohne dass es Betrachter von außen sehen können. Doch das hält uns nicht davon ab, zu klagen.
Wer könnte der Dieb sein?
Der Betreiber von wikiMANNia. Mein Anwalt hat herausgefunden, dass dahinter eine Briefkastenfirma mit einer Adresse in Istanbul steht. Die hat er angeschrieben, aber keine Antwort bekommen. Wenn ein Impressum nicht korrekt ist, ist das ein Verstoß gegen das Telemediengesetz.
Was haben Sie dann getan?
Wir haben uns wegen des Verstoßes gegen die Impressumspflicht an die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein gewandt. Die konnten aber auch nicht mehr herausfinden. Es ist eben sehr leicht, im Internet irgendeinen Mist zu behaupten, Leute zu denunzieren, geistiges Eigentum zu klauen, das umzudeuten und anderen damit zu schaden. Deswegen haben wir uns jetzt zu diesem letzten Schritt der Strafanzeige entschieden.
Fehlen der Medienanstalt da Kompetenzen?
Auf keinen Fall. Die nehmen ihren gesetzlichen Auftrag sehr ernst. Das Problem ist einfach, diese Impressumspflicht ist sehr lasch. Das ist vor allem für freie Journalistinnen ein Problem. Die Angaben im Impressum sind für freie Journalisten wie mich wichtig, um eine Ansprechperson zu haben.
Denken Sie, die Polizei wird den Täter in Ihrem Fall finden?
Ja. Ich gehe davon aus, dass sie das mit der gebotenen Ernsthaftigkeit behandeln - sie haben einen Ermittlungszwang. Und wenn sie ihn nicht finden, ist das ein Hinweis darauf, dass hier die bestehenden Gesetze offenbar nicht ausreichen.
Was für eine Gesetzesänderung wäre da sinnvoll?
Betreiber von Websites müssen verpflichtet werden, offenzulegen, wer sie sind. Es muss immer eine Ansprechperson geben. Es wird durchaus gefordert, dass illegale oder kriminelle Websites gelöscht werden.
Wer Websites verbietet und löscht, schränkt die Meinungsfreiheit ein. Das kann auch Linken oder Feministinnen schaden. Einige von ihnen halten Freiheit und Anonymität im Netz für wichtigen Schutz.
Das ist eine Gratwanderung, das gebe ich gerne zu. Ich sage nicht, die ganze Seite muss gelöscht werden, aber bestimmte Aussagen, Denunzierungen und Geschichtsverdrehungen. Dann sollen sie meinetwegen ihren antifeministischen Sermon runterlassen, aber auf persönliche Beleidigungen und Verleumdungen müssen sie verzichten. Ich persönlich habe keine beruflichen Nachteile, aber ich bin nicht die Einzige, die das betrifft.
Wäre es klug, wenn auch andere Betroffene klagen?
Kommt darauf an, was man aushält. Ich habe Glück, mein Anwalt macht das alles für mich und ver.di bezahlt den Rechtsschutz. Denn ich habe keine Lust, mich tagein, tagaus mit diesen Leuten zu beschäftigen, das vergiftet einen ja auch selber. Wenn du als Journalistin betroffen bist von Hetze auf wikiMANNia, setze dich bitte mit deiner Arbeitgeberin zusammen und unternimm etwas dagegen.
Im Impressum von WikiMANNia schreibt der Autor, er habe kein Problem damit, Gerichtsverfahren zu verlieren. Dann würde er eben die Urteilsbegründung veröffentlichen, so dass die beanstandeten Passagen doch wieder auf seiner Seite stünden. Auch Geld koste ihn eine Verurteilung nicht, seine Taschen seien ohnehin leer.
Davon lasse ich mich nicht beeindrucken oder zum Schweigen bringen. Die müssen sich meine scharfe Kritik schon gefallen lassen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.