Regierungsbildung scheitert

In Israel wird voraussichtlich neu gewählt / Es wäre die dritte Wahl innerhalb eines Jahres.

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.

Weder dem noch amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu von der Likud-Partei noch seinem Herausforderer Benny Gantz vom Mitte-Links-Bündnis »Blau-Weiß« ist es seit den letzten Wahlen am 17. September 2019 gelungen, eine Regierung zu bilden. Eine Koalition zwischen beiden Parteien hatte Benny Gantz wegen der bevorstehenden Anklage von Netanyahu wegen Korruption ausgeschlossen. Am Mittwoch gab Gantz sein Mandat zur Regierungsbildung an Staatspräsident Reuven Rivlin zurück.

Netanyahu hatte sich darauf konzentriert, mit den Ultra-Orthodoxen und Nationalisten ein Bündnis zu schmieden. Eine Mehrheit konnte er in der Knesset dafür nicht finden, also wurde das Mandat zur Regierungsbildung an Benny Gantz übertragen. Der umwarb besonders die Arabische Liste, obwohl er als ehemaliger Oberkommandierender der Israelischen Streitkräfte (IDF) für blutige Kriege gegen den Gazastreifen verantwortlich ist.

Dennoch entschied sich die Arabische Liste, ihn zu unterstützen, um Netanyahu zu verhindern. Ahmad Tibi von der Arabischen Liste erklärte, man habe im Wahlkampf versprochen »alles zu tun, um Netanjahu zu stürzen«. Benny Gantz sei gegenüber Netanyahu »das geringere Übel«.

Das letzte Mal, dass die Arabische Liste einen Kandidaten unterstützt hatte, war Itzhak Rabin. Er war im November 1995 bei einer großen Friedenskundgebung unter dem Motto »Ja zum Frieden, Nein zur Gewalt« von einem rechtsextremen, religiös-fanatischen Studenten ermordet worden.

Sowohl Netanyahu als auch Gantz waren letztlich an Avigdor Liberman und seiner Partei »Unser Haus Israel« gescheitert. Liberman wollte – nicht zuletzt aus persönlichen Animositäten gegenüber Netanyahu - keinem der beiden Kandidaten als Regierungschef zustimmen.

Er wartete bis zur letzten Minute, bevor er seine Absage am Mittwoch erklärte und beiden Politikern vorwarf, die Einheit Israels aufs Spiel zu setzen. Beide hätten ein »doppeltes Spiel« gespielt, so Liberman. »Egal, was für eine Regierung sie gebildet hätten, sie hätte nicht funktionieren können, um das zu tun, was das Land braucht«, sagte er. Liberman fordert eine liberale Regierung der nationalen Einheit. Davon sollen sowohl die ultra-Orthodoxen als auch die arabische Parlamentsabgeordneten ausgeschlossen werden.

Nun hat die Knesset, das israelische Parlament, drei Wochen Zeit, in der jeder/jede Abgeordnete versuchen kann, eine Mehrheit von mindestens 61 der 120 Parlamentsabgeordneten zu bilden. Gelingt das nicht, wird das Parlament nach den drei Wochen aufgelöst. Neuwahlen müssten dann innerhalb von 90 Tagen stattfinden.

Die Tageszeitung »Israel Hayoum«, die Benjamin Netanyahu nahesteht, veröffentlichte Umfrageergebnisse, wonach das Ergebnis einer Neuwahl sich vom aktuellen Ergebnis nicht unterscheiden würde. Das Bündnis Blau-Weiß könnte erneut 33 Mandate gewinnen, Likud erhielte 31 Mandate und »Unser Haus Israel« 9 Sitze. Die Arabische Liste könnte mit 13 Sitzen rechnen. Insgesamt sind derzeit 11 Parteien in der Knesset vertreten.

Alles könnte jedoch anders werden, sollte Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit in der kommenden Woche wie erwartet Anklage gegen Netanyahu wegen Korruption, Amts- und Vertrauensmissbrauch erheben. Eine Anklage könnte die Likud-Partei spalten in diejenigen, die an Netanyahu festhalten und jenen, die in die nächsten Wahlen nicht von einem Angeklagten geführt werden wollten. Es könnte zu einem Sturz Netanyahus kommen und die Likud könnte sich doch noch für eine große Koalition mit Blau-Weiß entscheiden. In dem Fall wären Neuwahlen nicht erforderlich.

Neuwahlen könnten außerdem ausgesetzt werden, sollte es zu einem Krieg mit Syrien oder dem Gazastreifen kommen. Der amtierende Ministerpräsident Netanyahu hat allein in den letzten 10 Tagen gezielte Tötungen von hochrangigen Mitgliedern des »Islamischen Dschihad« im Gazastreifen und vier Angriffe auf Syrien angeordnet. Das russische Außenministerium zählte die Angriffe am Mittwoch auf und warf Israel vor, den Luftraum des Libanon, Jordaniens und des Iraks verletzt zu haben.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.