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Steinwurf gegen Gelbe Westen
Polizeigewalt gegen die Protestbewegung in Frankreich kommt erstmals vor Gericht
Es ist einem freien Journalisten zu verdanken, dass ein französischer Polizist vor Gericht steht. Der Journalist hat bei der Demonstration der Gelben Westen am 1. Mai unter anderem einen Polizisten gefilmt, der einen Pflasterstein in Richtung der Demonstranten warf. Anhand des Videos, das im Internet zigtausendmal angeschaut wurde, war der Polizist eindeutig zu identifizieren. Am Donnerstag fand in Paris die Verhandlung statt, ein Urteil gab es bis zu Redaktionsschluss nicht.
Es ist nicht das einzige Verfahren, dass in Paris ansteht. Gegen einen zweiten Polizisten, der bei derselben Gelegenheit gefilmt wurde, als er einem Demonstranten eine Ohrfeige verpasste, soll noch vor Jahresende ein Prozess stattfinden.
Der Steine werfende Polizist ist wegen »bewusster und unangemessener Gewalt durch einen Vertreter der Ordnungsmacht« angeklagt. Theoretisch sieht das Gesetz dafür bis zu drei Jahre Haft und 45.000 Euro Geldstrafe vor. Der Anwalt des Polizisten plädierte auf »Notwehr« und beantragte Freispruch. Sein Mandant sei unbewaffnet gewesen und habe nur einen Stein zurückgeworfen, der zuvor von Demonstranten gegen die Polizisten geschleudert worden war. Unmittelbar zuvor war der Offizier, der diese Einheit der Bereitschaftspolizei befehligte, durch einen Stein von Seiten der Demonstranten am Helm getroffen worden und musste mit Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Medienberichten zufolge wurden in den vergangenen zwölf Monaten bei Zusammenstößen im Rahmen der Aktionstage der Gelben Westen 2448 Demonstranten und 1797 Polizisten verletzt. Das hatte jedoch für die Verantwortlichen auf beiden Seiten ganz unterschiedliche Folgen. So stand im Januar in Straßburg ein Demonstrant im Schnellverfahren vor dem Strafgericht, weil er einen Stein in Richtung von Polizisten geworfen hatte, ohne jedoch einen von ihnen zu treffen. Die Richter verurteilten ihn zu acht Monaten Gefängnis ohne Bewährung und sofortigen Haftantritt.
Bei ihren Sonnabend-Demonstrationen wurden in den zurückliegenden zwölf Monaten rund 10 000 Gelbe Westen vorübergehend festgenommen und gegen 5300 von ihnen wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Von diesen Gelben Westen wurden 2000 in Schnellverfahren sofort und weitere 2100 nur Wochen später vor Gericht gestellt. Dabei wurden gegen 400 Demonstranten Gefängnisstrafen verhängt, die sofort anzutreten waren, 600 erhielten bedingte Haftstrafen und gegen 1260 wurden Geldstrafen verhängt. Dagegen wurden von den mehr als 1000 Anzeigen gegen die Polizei durch verletzte Demonstranten - von denen mindestens 24 ein Auge durch Gummigeschosse verloren haben - von der Justiz nur 372 angenommen. Von diesen wurden inzwischen bereits 109 zu den Akten gelegt, zumeist, weil die für die Gewaltakte verantwortlichen Polizisten angeblich nicht zu ermitteln waren. Bisher wurde nur in 29 Fällen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Ob es in den restlichen Fällen, die sich zum Teil seit Monaten hinziehen, noch zu einem Ermittlungsverfahren, einer Anklage und dann einem Prozess kommt, ist offen.
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