- Politik
- Italien
Sardinen setzen Salvini zu
Protest gegen die rechtsextreme Lega mausert sich zu neuer Bewegung in Italien
In der italienischen Region Emilia Romagna wird Ende Januar gewählt und die rechtsextreme Lega will unbedingt diese früher »rote« Region in Mittelitalien erobern. Also begann ihr Chef Matteo Salvini schon vor einigen Wochen, die Region mit seiner Propagandamaschine zu überrollen. Jeden Tag organisiert er gleich mehrere Wahlkampfveranstaltungen landauf und landab, um die Menschen von seiner »Heilsbotschaft« zu überzeugen: Keine Migranten, drastische Steuersenkungen, ein harter Kurs gegenüber Brüssel, mehr Polizei, mehr Waffen und das gesamte rechtsextreme Werkzeug, das nicht nur in Italien bei vielen Wählern so beliebt ist.
Doch dann trafen sich eines Abends vier Freunde aus Bologna: Giulia, Andrea, Roberto und Mattia. Sie alle sind etwa 30 Jahre alt und ohne Parteizugehörigkeit. Ihnen geht die Propagandamaschine der Lega gehörig gegen den Strich. In nur sechs Tagen und Nächten organisierten sie vor allem über die sozialen Netzwerke eine Demo. Gleichzeitig mit einer Kundgebung, die Salvini in einem Sportpalast abhielt, in dem 5600 Personen Platz haben, wollten sie auf einem Platz in Bologna mindestens 6000 Menschen versammeln, um zu zeigen, dass die Stadt auch anders kann. Sie nannten sich »Sardine«, Sardinen, weil ein einzelner dieser Fische unbedeutend ist, ein ganzer Schwarm aber nicht. Die Vier wollten keine Parteisymbole und Fahnen zeigen, sondern nur viele bunte Papier- und Plastiksardinen, die jeder hochhalten sollte.
Der Erfolg war durchschlagend. Auf der Piazza kamen über 15.000 Demonstranten zusammen, zum größten Teil junge Menschen, darunter aber auch einige Prominente, die sich in der Masse versteckten, um den anderen nicht die Show zu stehlen. Schon wenige Tage später wiederholte sich das Schauspiel auch in Modena: Mehr Sardinen als SalviniAnhänger. Und jetzt ist die Bewegung überall in Italien aktiv, vor allem in den Regionen, in denen in den nächsten Monaten gewählt wird. Demos sind demnächst in Florenz, Rimini, Genua, Turin, Rom, Apulien und Sorrent vorgesehen. Und die Liste wird jeden Tag längerr.
Bisher haben die »Sardinen« keine feste Struktur und auch kein Programm. Sie wollen einfach nur beweisen, dass Italien nicht so rassistisch und intolerant ist, wie Matteo Salvini vorgibt. »Wir wollten zeigen, dass eine Stadt wie Bologna die Schlagworte der Lega nicht akzeptiert«, erklärte Mattia Santori, einer der vier »Ur-Sardinen«, der im »normalem Leben« einen Uniabschluss in Wirtschaftswissenshaften hat und sich mit Marktforschung im Nachhaltigkeitsbereich beschäftigt. In den nächsten Tagen wolle man sich überlegen, wie man die Aktivitäten auf breitere Füße stellen und ausweiten kann. Wichtig sei dabei vor allem, dass alles friedlich bleibt und man keine Einmischung von etablierten Parteien toleriert. Mitmachen darf jede und jeder, der oder die nicht will, dass Italien von rechtsextremen Kräften monopolisiert wird.
Langsam wird auch die Lega auf die kleinen Fische aufmerksam. Im Netz häufen sich Beleidigungen und Falschnachrichten. So heißt es zum Beispiel, die Sardinen seien »Islamisten, die von der Demokratischen Partei angeheuert wurden«, dass »Kurie, Demokraten und antifaschistische Zentren« hinter den Demonstranten stecken oder einfach nur die »Maghreb-Staaten« (warum auch immer). Auch Matteo Salvini wird langsam unruhig: In einem Fernsehinterview erklärte er, dass Sardinien sehr gesunde Fische seien – wenn man sie auffrisst. Und er lancierte die Gegenbewegung der »Kätzchen«, die diese Fische besonders gerne verspeisen.
Es ist nicht das erste Mal, dass in Italien solche spontanen Bewegungen gegen rechts entstehen, große Aufmerksamkeit und Hoffnungen hervorrufen – und dann schnell wieder im Nichts verschwinden. Natürlich richten sie sich in erster Linie gegen faschistisches Gedankengut. Aber eigentlich klagen sie auch und vor allem die mehr oder weniger linken Parteien, allen voran die Demokraten an, die keine wirkliche Opposition dagegen auf die Beine stellen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.