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Bauchlandung für Stahlknecht
Sachsen-Anhalts CDU-Innenminister zieht umstrittenen Staatssekretär zurück
Nachdem sich der Rauch verzogen hat, bleiben drängende Fragen. Gut 48 Stunden sorgte eine geplante Berufung des umstrittenen Polizeigewerkschafters Rainer Wendt als Staatssekretär in das von CDU-Politiker Holger Stahlknecht geführte Innenministerium Sachsen-Anhalts bundesweit für Aufregung - und in der Koalition aus CDU, SPD und Grünen für eine beispiellose Konfrontation. Zeitweise sah es so aus, als könne das Regierungsbündnis an der Personalie zerbrechen. Am Ende ruderte Stahlknecht zurück. Er habe eine »veritable Bauchlandung« hingelegt, kommentierte Wulf Gallert, Landtagsvizepräsident von der LINKEN, und fügt an: Was den Innenminister sowie seinen Parteifreund und Ministerpräsident Reiner Haseloff »geritten hat, bleibt eine interessante Frage«.
Stahlknecht, der auch CDU-Landeschef ist und als möglicher Haseloff-Nachfolger gilt, hatte die geplante Berufung gemeinsam mit dem Regierungschef am Freitagnachmittag per Pressemitteilung bekannt gegeben, während beide beim CDU-Bundesparteitag in Leipzig weilten. Im Landtag hielt mancher die Nachricht zunächst für einen schlechten Scherz. Nachdem klar wurde, dass sie ernst gemeint war, stellten sich die beiden kleineren Regierungsparteien quer. SPD und Grüne verwiesen zum einen auf eine Gehälteraffäre Wendts, der nach seiner im Jahr 2007 erfolgten Wahl zum Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DpolG) jahrelang ein Teilzeit-Gehalt als Polizist bezog, ohne Dienst zu verrichten. Das Land Nordrhein-Westfalen hat das Disziplinarverfahren gegen Wendt nach rund zwei Jahren allerdings mittlerweile beendet, wie das NRW-Innenministerium auf Anfrage der »Rheinischen Post« mittteilte.
Zum anderen wurde auf von Wendt geschürte Ressentiments gegen Flüchtlinge verwiesen. Man halte ihn daher für das Amt für ungeeignet, erklärten die Grünen - »persönlich und beamtenrechtlich«.
In der CDU hatte man sich zunächst unbeirrt gegeben. Generalsekretär Sven Schulze kommentierte die »aufgeregten Reaktionen« der Koalitionspartner: »Da scheint Holger Stahlknecht ja alles richtig gemacht zu haben.« Beobachter rätselten, ob es Stahlknecht nur um ein Signal an die Hardliner in den eigenen Reihen gegangen war oder ob die CDU die Koalitionspartner bewusst reizen und den Bruch der Koalition provozieren wollte. Teile der Landespartei glauben, dass diese in dem Bündnis mit SPD und Grünen an Profil verliert, und würden eine Zusammenarbeit mit der AfD etwa in Form einer Minderheitsregierung vorziehen. Die AfD wiederum deutete eine Berufung Wendts als Signal in ihre Richtung; dieser wäre, frohlockte ein Abgeordneter, deren »erster inoffizieller Staatssekretär«.
Stahlknecht hatte Avancen in Richtung AfD bisher strikt abgelehnt und diese verbal attackiert. Das freilich sei wohl »eher Pose als Haltung« gewesen, sagte die LINKE-Abgeordnete Henriette Quade nach Ende der Causa Wendt und zeigte sich verwundert, dass der CDU-Minister die »Sprengkraft« der Personalie derart unterschätzte. Dass dies der Fall war, lässt Stahlknecht blamiert zurück. Er hat dabei nicht nur seiner Partei einen Bärendienst erwiesen und die ohnehin fragile Kenia-Koalition einmal mehr belastet, sondern unfreiwillig auch Opfererzählungen der Rechten Vorschub geleistet. Wendt kommentierte den Rückzieher des Magdeburger Ministers mit der Äußerung, die CDU sei vom »linken Mainstream besiegt« worden und habe vor SPD, Grünen und Linken »kapituliert«.
Spätestens diese Äußerungen zeigten, dass Wendt »charakterlich ungeeignet« für das Amt gewesen wäre, kommentierte Sebastian Striegel, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen. SPD-Chef Burkhard Lischka resümierte angesichts des verbalen Rundumschlags von Wendt, man habe »alles richtig gemacht«. Derweil ging Hans-Georg Maaßen, Ex-Chef des Bundesverfassungsschutzes und Aushängeschild der Werte-Union in der CDU, hart mit seinem Parteifreund Stahlknecht ins Gericht. Weil er es nicht geschafft habe, die Personalie durchzusetzen, »sollte er zurücktreten«.
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