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Die Spy-App als persönliche Bedrohung
Virtuelle Kontrolle hängt immer stärker mit direkter geschlechtsspezifischer Gewalt zusammen, meint Ans Hartmann
Es vergeht keine Woche ohne Schlagzeilen über Cyberangriffe oder Gewalt im Netz. Diese Aufmerksamkeit ist gut. Die mediale Berichterstattung zeigt jedoch deutlich, welche Formen digitaler Gewalt und welche Betroffenheiten als besonders berichtenswert und politisch relevant betrachtet - und welche vergessen werden.
Erst kürzlich wurde erneut berichtet, dass Cyberattacken und Spionage Milliardenschäden für Wirtschaftsunternehmen in Deutschland verursachen. Gleichzeitig sind jeden Tag vor allem Frauen von digitaler Gewalt wie Überwachung, Cyberstalking, bildbasierter Gewalt und Identitätsdiebstahl betroffen - mit massiven Auswirkungen auf ihre Lebensführung. Die Täter*innen kommen meist aus dem sozialen Umfeld, oft ist es der (Ex-)Partner.
Diese digitalen Angriffe sind Teil geschlechtsspezifischer Gewalt. Wir können seit Jahren dabei zusehen, wie sich Partnerschaftsgewalt, Stalking und sexualisierte Gewalt zunehmend digitalisieren.
In Deutschland gibt es keine repräsentativen Zahlen hierzu. Doch die Fachberatungsstellen, die sich im Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe zusammengeschlossen haben, berichten, dass mittlerweile bei einem Großteil der Fälle von (Ex-)Partnerschaftsgewalt und Stalking davon ausgegangen werden muss, dass auch Spy-Apps und das Mitlesen von Daten zum Zweck der Kontrolle und Überwachung eine Rolle spielen. Eine Umfrage in 72 Frauenhäusern in den USA ergab erst kürzlich, dass 85 Prozent der Bewohner*innen mittels GPS getrackt wurden.
Die Täter sind meist gar nicht technisch besonders versiert, aber sie sind oder waren der betroffenen Person nahe. So erraten sie Passwörter oder erzwingen deren Preisgabe. Sie machen es sich zunutze, dass sie es sind, die die Endgeräte und Netzwerke in der Familie anschaffen und einrichten bzw. das getan haben. Das Installieren von Spyware oder das Einloggen in Onlinekonten ist somit keine große Hürde. Technische Geräte, personenbezogene Daten und digitales Bildmaterial werden Teil von Gewaltdynamiken und Bedrohungen nach Trennungen - jeden Tag. Und der Schaden für Betroffene ist enorm.
Dennoch, in vielen Berichten und politischen Maßnahmen, die sich mit den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung und mit Hass im Netz beschäftigen, sind Menschen, die von Stalking und (Ex-)Partnerschaftsgewalt betroffen sind, selten im Fokus. Warum wird so wenig darüber geredet, dass digitale Gewalt vor allem im sozialen Nahraum durch bekannte, meist cis-männliche Täter ausgeübt wird? Oder darüber, dass der sexistische, misogyne Hass im Netz eng verknüpft ist mit Rassismen, LGTBQIA-Feindlichkeit und anderen rechten menschenfeindlichen Positionen?
Wer fragt nach den individuellen psychischen, finanziellen und sozialen Auswirkungen von Stalking, Partnerschaftsgewalt oder Morddrohungen und konzertierten Hassattacken im Netz? Und wer fühlt sich verantwortlich dafür, dass gewaltbetroffene Frauen und andere marginalisierte Geschlechter Unterstützung erhalten und Fachberatungsstellen personell und finanziell gut genug ausgestattet sind, um mit den Anforderungen der Digitalisierung Schritt zu halten?
Wer fragt danach, wie viele der bereits in diesem Jahr durch ihren Partner oder Expartner getöteten Frauen zuvor mit einer Spy-App überwacht wurden oder gar erst getötet werden konnten, weil der Täter dank Tracking wusste, wo sie sich befinden?
Wir müssen diese und noch viel mehr Fragen stellen, denn geschlechtsspezifische Gewalt ist eng verwoben mit der deutschen Gesellschaft. Und sie digitalisiert sich schneller als viele andere Bereiche in der Bundesrepublik.
Ans Hartmann arbeitet beim Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff), betreut das Projekt aktiv-gegen-digitale-gewalt.de und gehört zu den Referenten der Digitalkonferenz der Linkspartei am 7. Dezember.
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