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Interne Dokumente werfen neue Fragen zur Zusammenarbeit zwischen nordrhein-westfälischen Behörden und dem Energiekonzern RWE auf
Es ist mittlerweile bekannt, dass es im Zusammenhang der Räumung des Hambacher Forsts im vergangenen Jahr enge Absprachen zwischen dem Energiekonzern RWE und der nordrhein-westfälischen Politik gab. Johannes Filter, Aktivist für Informationsfreiheit, hatte mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes die Herausgabe der Kommunikation zwischen dem Unternehmen und dem Innenministerium beantragt.
Seit Dienstag sind die Dokumente auf dem Portal »Frag den Staat« abrufbar. In den Unterlagen geht es um gemeinsame Treffen zwischen der Konzernsicherheit von RWE und dem Spitzenpersonal der nordrhein-westfälischen Polizei. Auf Seiten von RWE sind die Namen der Beteiligten geschwärzt. Bei der Polizei geben Daniela Lesmeister, Leiterin der Polizeiabteilung im Innenministerium, und Jörg Lukat den Ton an. Lesmeister gilt als Hardlinerin. Lukat, der heute Polizeipräsident in Bochum ist, machte im Zusammenhang mit dem Dortmunder NSU-Mord keine gute Figur. Als Lukat 2016 im nordrhein-westfälischen NSU-Ausschuss aussagen musste, bezeichneten die heutigen NRW-Minister Peter Biesenbach und Joachim Stamp (FDP) die Aussagen von Lukat als »erschütternd« für das Bild professioneller Polizeiarbeit und Nachfragen an ihn als »zwecklos«. Unter schwarz-gelben Landesregierung wurde er befördert.
In der Kommunikation zwischen dem Ministerium und RWE geht es um die Zuständigkeit für die Räumung und vor allem um die geplante Rodung des Waldes. Hier treten auch Widersprüche auf. Nachdem ein RWE-Vorstand im Gespräch mit NRW-Innenminister Herbert Reul erklärte, »Geld spielt keine Rolle«, verlangte die Polizei 900 private Sicherheitsleute für die Rodungsarbeiten. Die Konzernsicherheit von RWE blockte ab, so viele Leute könne man einfach nicht finden.
Auch Zeiträume und die Dauer der Rodung werden hart verhandelt. Die Polizei will dass schnell und viel gerodet wird, um weniger lang im Einsatz zu sein. Dabei gibt man offen zu, dass im Rodungszeitraum andere Themen, auch Reuls Steckenpferd, die Bekämpfung der sogenannten »Clan-Kriminalität«, auf »Null reduziert« werden müssten. Das Protokoll über die gemeinschaftlichen Rodungs- und Räumungspläne wird in einem Schreiben als »problematisch« angesehen. Immer wieder wird auf den internen Charakter der Kommunikation verwiesen.
Als einen besonders problematischen Akt der Zusammenarbeit hat »Frag den Staat« einen Absatz in den Dokumenten identifiziert, in dem das Innenministerium RWE anbietet, Bilder und GPS-Daten der Baumhäuser im Hambacher Forst zur Verfügung zu stellen. Diese sollen RWE dabei helfen, die Schlüssigkeit der Räumungsanträge herzustellen. Zu diesem Vorgang zitiert »Frag den Staat« den Verwaltungsrechtler Robert Hotstegs: » Dieser Vorgang dürfte einmalig sein: Eine Behörde assistiert ohne jegliche rechtliche Verpflichtung oder Ermächtigung einem privaten Unternehmen dabei, privatrechtlich gegen Dritte vorzugehen.« Dies sei »verblüffend«, weil Polizeibehörden solche Daten üblicherweise für »sensibel« erkläre und sie aus »ermittlungstaktischen Gründen« nicht herausgebe.
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Aus dem nordrhein-westfälischen Innenministerium heißt es auf nd-Anfrage, welche Rechtsgrundlage man für die Herausgabe der Daten gehabt habe, lapidar: »Nach Einschätzung unserer Fachabteilung handelt es sich bei den übermittelten Daten um objektbezogene und nicht um personenbezogene Daten. Von daher war für die Übermittlung dieser Daten nach unserer Auffassung keine Rechtsgrundlage notwendig.«
Die Innenpolitikerin Verena Schäffer (Grüne) hält die Weitergabe polizeilicher Daten an RWE, damit das Unternehmen privatrechtlich vorgehen kann, für »ungeheuerlich«. Es handele sich dabei um einen weiteren Beleg dafür, dass sich die »Landesregierung zum Handlanger von RWE gemacht hat«. Mit Hilfe einer Kleinen Anfrage wollen die Grünen herausfinden, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Landesregierung die Daten übermitteln wollte.
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