Strache hat sich verzockt

Österreich hat einen neuen politischen Skandal: Auf »Ibiza« folgt die »Casinos-Affäre« und die FPÖ ist mittendrin

  • Johannes Greß, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.

94 Fragen musste sich der parteilose Finanzminister Eduard Müller am Dienstag im Parlament stellen. Der Grund für die von SPÖ, Grünen und NEOS einberufene Sondersitzung ist die Affäre rund um die Postenbesetzung innerhalb der teilstaatlichen Casinos Austria AG (CASAG), die derzeit hohe Wellen schlägt.

Im Zentrum der Causa steht die Person Peter Sidlo. Der ehemalige FPÖ-Bezirksrat war im Mai dieses Jahres in den Vorstand der CASAG berufen worden. Unerwarteterweise, denn laut einem Gutachten fehlen Sidlo dazu eindeutig die nötigen Qualifikationen. Er bringe weder ausreichend Expertise in Sachen Glücksspiel mit, noch habe er genügend Leitungserfahrung, heißt es in der »glückspielrechtlichen Beurteilung«. Laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sind Novomatic, dem mit 17 Prozent drittgrößten Miteigentümer der CASAG, für die Bestellung Sidlos lukrative Glücksspiellizenzen als Gegenleistung in Aussicht gestellt worden.

Die Liste der Verdächtigen kennt einige prominente Namen. Bereits im August stellte die WKStA im Zuge einer Hausdurchsuchung bei den beiden Ibiza-Protagonisten Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus Dokumente sicher. Beide stehen mit Sidlo seit Jahren in engem Kontakt. Nachdem Chatprotokolle durch das Wochenmagazin »Falter« und die Tageszeitung »Presse« veröffentlicht wurden, zählen nun auch der ehemalige Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) sowie Novomatic-Chef Harald Neumann zum Kreis der Verdächtigen. Die WKStA ermittelt derzeit wegen des Verdachts auf Bestechung und Untreue. Alle Genannten bestreiten die Vorwürfe. Es gilt ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

Wie der »Kurier« in seiner Mittwochausgabe berichtet, erwägt Novomatic derzeit den Rückzug aus dem Österreich-Geschäft. Die Tageszeitung zitiert Neumann: »Wir haben uns das anders vorgestellt, als wir die Casinos-Anteile gekauft haben.«

Die SMS und WhatsApp-Nachrichten, aus denen »Falter« und »Presse« zitieren, belasten die Beteiligten teilweise schwer und legen den Verdacht nahe, dass derlei Postengeschacher auch in anderen staatsnahen Unternehmen stattgefunden haben. Exemplarisch heißt es in einer von der »Presse« veröffentlichten WhatsApp-Nachricht Straches an den damaligen Finanzminister Löger: »…Wir haben bei der ÖBB, Asfinag, Donau, etc. alle eure 30 AR (Aufsichtsräte, d. Red.) sofort umgesetzt … in euren Ressorts warten wir bis heute … !« In weiteren Nachrichten werden auch die Post AG, die OMV und die Bundesimmobiliengesellschaft genannt.

Aufmerksam wurde die WKStA auf das Postengeschacher durch eine anonyme Anzeige »bzgl. der Bestellung des Finanzvorstandes der Casinos Austria AG«. Schon der angeblichen Oligarchennichte schwärmte Strache auf Ibiza vor, die Novomatic zahle ohnehin an alle Parteien. Als verhängnisvoll erweist sich für Strache und den Kreis der Verdächtigen allerdings, dass nach der Ibiza-Affäre im Mai eine Übergangsregierung eingesetzt wurde. Die Staatsanwaltschaft, die ansonsten nur weisungsgebunden agiert, bekommt vom derzeitigen parteilosen Justizminister ungewöhnlich viel Handlungsspielraum.

Die Plenardebatte am Dienstag verlief über weite Strecken hitzig, in Teilen untergriffig. Beschlossen wurde indes wenig. Von den (ohnehin unverbindlichen) Entschließungsanträgen wurde bis auf einen einzigen keiner angenommen. Einigen konnte man sich lediglich darauf, in der Ibiza-Affäre volle Aufklärung zu fordern. Mit seinen Teil dazu beigetragen hat auch Finanzminister Müller. Häufig befragt, redete dieser zwar viel, sagte aber letztlich wenig. Fest steht, die Casinos-Affäre wird Österreich noch länger beschäftigen. Sowohl Grüne als auch SPÖ fordern einen Untersuchungsausschuss sowie schonungslose Aufklärung.

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