Homofeindliche Gewalt nimmt zu

Generalstaatsanwältin beklagt Hasskriminalität in rechtsradikalen »Echokammern«

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 2 Min.

Mit »Erschütterung« kommentierte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montagmorgen im Scandic Hotel am Potsdamer Platz die Zahlen zu trans- und homophoben Gewalttaten in Berlin. Gemeinsam mit Generalstaatsanwältin Margarete Koppers gab Slowik einen deutlichen Anstieg registrierter Gewalttaten und daraus folgender Anklagen bekannt, die im Zeitraum von Januar bis September 2019 begangen wurden.

Als entscheidenden Grund nannte Slowik die »Polarisierung der Gesellschaft«, mit der derzeit das Erstarken rechter Kräfte erklärt wird. Diese zu überwinden, betrachtet die Polizeipräsidentin allerdings als »gesamtgesellschaftliche Aufgabe«.

Fakten zu homophoben Angriffen

Bis Ende September registrierte die Berliner Polizei 261 trans- und homophobe Beleidigungen, Bedrohungen und Angriffe. Im Vorjahreszeitraum zählte die Polizei nach letzten offiziellen Zahlen 184 Übergriffe. Die Aufklärungsquote ist um 38 Prozent gesunken.

Die Tatorte lagen überwiegend in den Bezirken Mitte, Tempelhof-Schöneberg und Friedrichshain-Kreuzberg.

Die Polizei geht von großen Dunkelziffern aus.

Die Generalstaatsanwaltschaft gibt an, im Jahr 2019 seien bisher 51 Taten angeklagt und 159 Verfahren eingestellt worden. Überwiegend hätten die Richter Geldstrafen verhängt, in vier Fällen habe es aber auch Gefängnisstrafen oder Jugendstrafen für Raubüberfälle oder Körperverletzungen gegeben. Bei 60 Prozent der insgesamt erfolgten 289 Anzeigen konnten die Täter namhaft gemacht werden.

Die Zahl der Anzeigen hat sich im Vergleich insgesamt erhöht, was von Polizei und Staatsanwaltschaft auf größere Anzeigenbereitschaft und Vertrauensgewinn den Behörden gegenüber, aber auch auf mehr Schulungen und eine größere Zahl von Ansprechpartnern bei Polizei und Staatsanwaltschaft zurückgeführt wird. clk

Sie sei dennoch sicher, so Slowik, dass die Berliner Beamt*innen trans- und homophobe Diskriminierung mittlerweile besser erkennen könnten - unter anderem sorgten Schulungen für die nötige Sensibilität. Außerdem sei die Berliner Polizei eine »bunte Polizei« und entspreche nicht dem früheren Feindbild, als sich die Strafverfolgung eher gegen Schwule, Lesben sowie transgeschlechtliche Menschen richtete.

Auch die gestiegene Bereitschaft von Betroffenen, die ihnen widerfahrene Gewalt zur Anzeige zu bringen, bewertete Slowik als positiv und als mitverantwortlich für den Anstieg der Zahlen. Grundsätzlich sollten Polizei und Zivilgesellschaft vermittels »breiter vertrauensvoller Netzwerkarbeit enger zusammenrücken«, forderte die Behördenchefin.

»Ich müsste Ihnen positive und klarere Antworten geben können«, sagte anschließend Margarete Koppers hinsichtlich der Aufklärung und der Verurteilung von homo- und transfeindlicher Gewalt. Gerade die Strafverfolgung aufgrund von Hasskriminalität im Internet, gab die Generalstaatsanwältin an, gestalte sich oft schwierig, weil die Täter oft nicht identifiziert werden könnten. Netzwerkbetreiber würden zu wenig kooperieren und, so Koppers: »Rechtsradikale scheinen einen Überbietungswettbewerb in Hassbotschaften gestartet zu haben.«

Im Anschluss wurde der diesjährige »Respektspreis« des Berliner Bündnisses gegen Homophobie zum 10. Mal verliehen. Er ging an den Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB). Mit seinem aktuellen Projekt »Mein Kind - Ohne Wenn und Aber!« stärke der TBB queere Menschen und ihre Familien vorbildlich, hieß es in der Laudatio. »Weder sind unsere Kinder falsch, noch wir allein«, freute sich Safter Çınar von TBB.

Andere Nominierte waren das Bode-Museum für die Ausstellung »Spielarten der Liebe«, das queere Jugendzentrum des Jugendnetzwerks Lambda Berlin-Brandenburg e. V. und der Sportverein für Schwule und Lesben Berlin e. V. (Vorspiel SSL Berlin).

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -