Niedersächsische Polizeispitze geschlossen gegen AfD-Kritik

»Wir nehmen unseren Eid ernst« - Spitzenbeamte warnen vor Einschüchterung

  • Lesedauer: 3 Min.

Hannover. Nach anhaltender Kritik der AfD am Oldenburger Polizeipräsidenten Johann Kühme hat sich die gesamte Führungsspitze der niedersächsischen Polizei in einem ungewöhnlichen Schritt öffentlich hinter ihren Kollegen gestellt. Das Vorgehen der Partei könne »aus unserer Sicht nur den Zweck verfolgen, politischen Druck auf Führungskräfte der Polizei ausüben zu wollen, um sie an ihrer berechtigten Widerspruchspflicht zu hindern«, teilten die Chefs aller Polizeibehörden am Dienstag mit.

»Hiergegen verwehren wir uns ganz entschieden«, hieß es in der von den Präsidenten der Polizeidirektionen, des Landeskriminalamts und den Leitern weiterer zentraler Institutionen unterzeichneten Erklärung weiter. Kühme habe mit seinen Äußerungen dem »strategischen Ziel« der Landespolizei entsprochen. Dieses bestehe darin, ihr »freiheitlich-demokratisches Selbstverständnis« zu wahren und demokratiefeindlichen Tendenzen zu begegnen.

Kühme hatte laut Polizei bei einer Veranstaltung Kritik an bestimmten Äußerungen führender AfD-Politiker geübt. Wörtlich sagte er demnach: »Ich schäme mich als Deutscher dafür, wenn AfD-Politiker Muslima als Kopftuchmädchen titulieren oder die Nazis als Vogelschiss in der tausendjährigen Geschichte.« Er bezog sich auf Äußerungen des früheren Parteichefs Alexander Gauland und von AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel.

Die niedersächsische AfD wirft Kühme deshalb vor, er verletze die mit seinem Amt verbundene Pflicht zur politischen Neutralität. Laut Polizei brachte deren Landtagsfraktion jüngst auch eine parlamentarischen Anfrage ein, die diesen Vorwurf erhebt. Dieser Vorgang war konkreter Auslöser für die gemeinsame Erklärung.

Die Spitzen der niedersächsischen Polizei hätten die AfD-Anfrage »sehr irritiert, mit Verwunderung, aber auch mit dem Willen zum Widerspruch« zur Kenntnis genommen, hieß es in der Mitteilung. Sie teilten die Auffassung, dass Kühme eine »von unserer Verfassung abgedeckte und jederzeit zulässige Meinungsäußerung« getan habe, der sie sich »vollumfänglich anschließen«.

Insbesondere Politikern, »die den Nationalsozialismus und seine Folgen zu bagatellisieren versuchen, muss entschieden widersprochen werden«, erklärten die Chefs der Landespolizei. Auch verbale Diskriminierungen wie die kopftuchtragender Frauen entsprächen nicht der »Kultur« in der Polizei und in Deutschland insgesamt.

Kühmes Haltung sei auch aus historischen Perspektive heraus berechtigt. »Denn die Weimarer Republik ist nicht an ihren Gegnern gescheitert, sondern an der fehlenden Kraft ihrer Befürworter«, erklärten die Chefs der Landespolizei. »Es gilt daher, die demokratische Haltung jedes einzelnen in der Polizei zu stärken.«

Die Anfrage der AfD löse »die große Sorge« aus, dass die damit »zukünftig kritische Äußerungen gegen rechte Parolen verhindert und Führungskräfte eingeschüchtert werden sollen«. Dagegen wende sich die Polizei entschieden. »Auf die Polizei können sich die Menschen verlassen, wir nehmen unseren Eid ernst und leben die Werte unseres Grundgesetzes, ebenso wie die der niedersächsischen Verfassung«, betonten die Beamten. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.